: Heinrich Peuckmann
: Der Sohn der Tänzerin
: Kulturmaschinen
: 9783967632071
: 1
: CHF 4.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 268
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die tollsten Geschichten schreibt immer noch das Leben. Zum Beispiel die eines Mannes, der eine Tänzerin aus Thailand heiratet. Die Ehe zerbricht. Doch sein Glück findet er in der Erziehung der zwei thailändischen Adoptivsöhne, von denen der eine schließlich zwei Bronzemedaillen im Säbelfechten gewinnt. ... Heinrich Peuckmann hat die Geschichte aufgeschrieben - mit einigen dichterischen Freiheiten, versteht sich.

1.

Als er vor ein paar Minuten die Halle betreten hatte, waren die meisten Plätze noch frei gewesen, jetzt gab es kaum noch Lücken auf der Zuschauertribüne. Er war erstaunt, wie schnell und unmerklich das gegangen war. Gleichzeitig spürte er, wie sich sein Pulsschlag erhöhte. Ein paar Minuten noch und dann ... Er wischte sich die Handflächen an der Hose ab.

Ein dicker Mann drängte sich zu ihm in die Reihe, stieß ihm heftig seinen Bauch in den Rücken und ließ sich zwei Plätze entfernt von ihm nieder. Er saß noch nicht richtig, da zog er schon eine Plastiktüte aus der Jackentasche und begann, sich Salzchips in den Mund zu stopfen. Das Knistern der Tüte, das schmatzende Kauen, mein Gott, warum brauchten manche Leute zu allem und jedem eine Zusatzbefriedigung? Er schaute sich um, aber jetzt war es zu spät, noch mal den Platz zu wechseln.

Wie immer bei wichtigen Kämpfen hatte er sich in eine der letzten Reihen gesetzt, auf einen Platz direkt neben dem Aufgang. Von hier aus hatte er freien Blick auf die Planche und konnte den Kampf mitfilmen, ohne dass aufspringende Zuschauer ihm die Sicht versperrten. Und von diesem Kampf, der gleich stattfinden würde, wollte er alles festhalten, jede Einzelheit, denn er wusste, dass er sich das, was er gleich passierte, noch in Jahren angucken würde. Immer und immer wieder. Fragte sich nur, welche Gefühle er dann dabeihaben würde.

Er überprüfte den Camcorder. Neunzig Minuten waren auf der Kassette, mehr als genug. Er wusste nicht, wie oft er inzwischen die Kamera überprüft und die Schärfe nachgestellt hatte. Er brauchte etwas, um sich abzulenken.

Hoffentlich ist Roy nicht so nervös, dachte er. Nur noch diesen Kampf musste er gewinnen, nur noch diesen einen und alles hätte sich gelohnt. Die jahrelange Quälerei im Training, die Summen für die teure Fechtausrüstung, die unendlich langen Fahrten in dem klapprigen Mercedes durch halb Europa, um an den Weltcups teilzunehmen. Er immer am Steuer, während Roy bei der Hinfahrt auf dem Rücksitz schlief, um für den Wettkampf am nächsten Tag fit zu sein. Manchmal gewann Roy, dann kletterte er in der Weltrangliste um einige Ränge, manchmal schied er früh aus, dann rutschte er zurück. Ohne in der Weltrangliste einen guten Platz zu belegen, hätte er sich gar nicht für dieses Turnier qualifizieren können.

Und dann die Rückfahrten nach den Weltcups, die langen Gespräche zwischen ihnen, manchmal bis weit in die Nacht hinein. Roy neben ihm auf dem Beifahrersitz, wenn sie zuerst seine Fehler analysierten und die Stärken besprachen. Damit fingen ihre Gespräche immer an. Mit der Analyse dessen, was hinter ihnen lag. Danach schmiedeten sie Pläne, beredeten, was als nächstes anstand und wie si