1. KAPITEL
Clara Sinclair lief in ihrer Gefängniszelle auf und ab. Zugegeben, die Zelle maß gut dreißig mal dreißig Fuß, verfügte über ein eigenes Badezimmer und drei hohe Erkerfenster mit direktem Blick auf den Privathafen des Palastes. Auch ihre Gefängniskleidung war eher untypisch. Sie bestand aus weißer Seide und feiner Spitze. Hätte man sie nicht gezwungen, dieses Kleid zu tragen, würde sie es vielleicht schön finden.
Zumindest war sie endlich allein. Ihre Wärterinnen, die sich ihre „Gesellschafterinnen“ nannten, waren gegangen, um sich für das Ereignis des Jahrzehnts in Monte Cleure herauszuputzen: Claras Hochzeit mit König Dominic aus dem Hause Fernandez. Doch vor der Tür standen, wie immer seit ihrem ersten Fluchtversuch, zwei kräftige Männer.
Die Wanduhr schlug. Du lieber Himmel. Nur noch fünfzehn Minuten, dann würde sie mit „King Pig“ verheiratet werden, diesem Schwein von einem König. Und sie konnte in der Kirche nicht einmal eine Szene machen, weil Bobs Leben davon abhing. Dominic würde seine Drohung wahrmachen und wahrscheinlich noch großen Spaß daran haben.
Was für ein Unmensch schenkte einer Frau einen Welpen und benutzte ihn dann, um sie unter Druck zu setzen? Der Mann, den sie in fünfzehn Minuten heiraten würde, war so ein Unmensch. Im Moment schlief Bob sicher in seinem Körbchen. Ihm würde nichts zustoßen, wenn sie Dominic das Jawort gab, ohne den Bräutigam zu verprügeln. Oder den Priester. Oder einen der Gäste.
Bis zu ihrer Ankunft in Monte Cleure, wo man sie gegen ihren Willen festhielt, hatte Clara noch nie den Drang verspürt, jemanden zu schlagen. Nicht einmal ihren Halbbruder Andrew. Dabei behandelte der sie seit dem Tod ihres Vaters wie einen Hund und war für ihre missliche Lage ebenso verantwortlich wie der König.
Sie schlug mit der Faust auf den Tisch. „Dafür wirst du in der Hölle schmoren!“, schrie sie, bevor sie sich auf den dicken Teppich warf.
Bob wachte auf, tappte zu ihr und rollte sich auf ihrem Schoß zusammen. Sie streichelte seinen weichen Kopf. Sie hatte kein Bedürfnis, zu weinen, dazu war sie viel zu wütend, und Tränen lösten ohnehin nichts. Das hatte Clara schon als kleines Kind gelernt, als keine Tränen der Welt ihre Mutter wieder zum Leben erweckt hatten.
Wenn sie fliehen wollte, musste sie sich beeilen. Sie hatte noch zehn Minuten Zeit, bevor man sie in die Kirche schleppte.
Denk nach!
Der Kamin war zugemauert worden, nachdem man Clara, mit den Beinen strampelnd, darin erwischt hatte. Als sie ein Fenster geöffnet und laut um Hilfe gerufen hatte, hatte Dominic gedroht, Bob in den vierzig Fuß tiefer gelegenen Privathafen zu werfen.
Sie würde Dominic das Leben zur Hölle machen. Falls er glaubte, er könnte sie zum Einlenken zwingen, dann hatte er sich …
Ein leises Klopfen riss sie aus ihren Überlegungen. Sie hob den Kopf und entdeckte ein Gesicht am Fenster.
Es war ein hübsches Gesicht. Den Mund zu einem breiten Grinsen verzogen, bedeutete es ihr mit einem Nicken, sich zu beeilen und das Fenster zu öffnen.
Clara sprang auf, stolperte fast über die Schleppe ihres Hochzeitskleides und beeilte sich, zu dem gut aussehenden Fremden zu gelangen.
Als sie am Fensterflügel rüttelte, stellte sie fest, dass dieser Fremde ihr vage bekannt vorkam, doch die Freude über die bevorstehende Rettung überwog.
Verdammt, wieso ließ sich dieses widerspenstige Fenster nicht öffnen?
Hatte Dominic es etwa zukleben lassen? Sie war kurz davor, das Glas einzuschlagen, als das Fenster nachgab. Ein letzter Ruck, und es war offen.
„Hallo“, sagte sie und grinste bre