: P. G. Wodehouse
: Tausend Dank, Jeeves! Roman
: Insel Verlag
: 9783458764090
: 1
: CHF 21.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 300
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ei längerer Aufenthalt in New York ist bei Bertie Wooster und seinem treuen Diener Jeeves nicht spurlos vorübergegangen. Gerade noch rechtzeitig kann Bertie zwar seine überstürzte Verlobung mit Pauline Stoker lösen. Nach London zurückgekehrt, gibt er sich einer neuen Liebe, dem Banjo-Spiel, hin. Sehr zum Leidwesen von Jeeves, der mit Kündigung droht und Bertie dazu zwingt, den Sommer im Cottage seines Freundes Lord »Chuffy« zu verbringen, wo er seiner Leidenschaft nach Lust und Laune frönen kann. Aber Chuffy ist ein bisschen klamm und gedenkt, sein Anwesen ausgerechnet an den steinreichen Amerikaner J. Washburn Stoker zu verkaufen. Der hat zur Besichtigung seine Tochter Pauline mitgebracht, in die sich Chuffy Knall auf Fall verliebt. Aber wie kann er ihr, mittellos, wie er ist, einen Antrag machen? Bertie will nachhelfen, und macht alles nur noch schlimmer.

Die nächste Liebes- und Gesellschaftskomödie aus der Welt des degenerierten Adels.



<p>P.G. Wodehouse, geboren 1881 in Guildford, Surrey, starb 1975 in Long Island, NY. 1902 veröffentlichte er seinen ersten Roman, 95 weitere folgten. Er hat »nicht ein einziges Buch geschrieben, das kein Vergnügen bereiten würde« (Philipp Blom, Neue Zürcher Zeitung). Kurz vor seinem Tod wurde der 94-jährige Wodehouse von der Queen in den Ritterstand erhoben. Seine Bücher erscheinen im Suhrkamp und im Insel Verlag.</p>

1. Kapitel


Ich verspürte einen Anflug von Sorge. Nichts Ernstliches, aber doch einen Hauch von Beunruhigung. Als ich in meinem guten alten Domizil so dasaß und müßig über die Saiten meiner Banjolele strich – eines Instruments, dem ich in jüngster Zeit ganz verfallen war –, hätte man meine Stirn zwar nicht direkt als gefurcht, aber auch nicht kategorisch als ungefurcht bezeichnen können. Das Wort »versonnen« bringt die Sache wohl auf den Punkt. Mir war, als sei eine Situation eingetreten, die von potentiellen Peinlichkeiten nur so strotzte.

»Jeeves«, sagte ich, »wissen Sie, was?«

»Nein, Sir.«

»Wissen Sie, wen ich gestern Abend gesehen habe?«

»Nein, Sir.«

»J. Washburn Stoker samt Tochter Pauline.«

»Tatsächlich, Sir?«

»Sie müssen im Lande sein.«

»Es macht ganz den Anschein, Sir.«

»Ziemlich genierlich, wie?«

»Nach allem, was in New York vorgefallen ist, Sir, dürfte Ihnen eine Begegnung mit Miss Stoker schwer zusetzen. Doch eine solche Eventualität braucht nach meinem Dafürhalten nicht zwingend einzutreten.«

Ich erwog seine Worte.

»Wenn Sie über nicht zwingend einzutreten brauchende Eventualitäten reden, Jeeves, umnebelt sich mein Geist, und der springende Punkt entgeht mir. Meinen Sie etwa, dass es mir möglich sein sollte, ihr aus dem Weg zu gehen?«

»Jawohl, Sir.«

»Ich soll mich ihr entziehen?«

»Jawohl, Sir.«

Beinahe ausgelassen klimperte ich fünf Takte vonOl’ Man River. Jeeves’ Feststellung hatte meine Sorgen zerstreut. Ich begriff, worauf er hinauswollte: London ist schließlich recht weitläufig, und so kann man um Leute, die man nicht zu sehen wünscht, mühelos einen Bogen machen.

»Ihr Anblick hat mich mächtig aufgewühlt.«

»Das kann ich mir lebhaft vorstellen, Sir.«

»Zumal Sir Roderick Glossop mit von der Partie war.«

»Tatsächlich, Sir?«

»O ja. Sie saßen an einem Fenstertisch im Savoy Grill und schnallten sich gerade den Futterbeutel um. Und nun kommt der Clou, Jeeves: Die Vierte im Bunde war Lord Chuffnells Tante Myrtle. Was hat die denn mit der Bagage zu tun?«

»Womöglich ist ihre Ladyschaft mit Mr. Stoker, Miss Stoker oder Sir Roderick bekannt, Sir.«

»Stimmt, das ist denkbar. Jawohl, das wäre eine Erklärung. Und doch war ich, wie ich zugeben muss, erstaunt.«

»Haben Sie ein Gespräch angeknüpft, Sir?«

»Wer,ich? O nein, Jeeves. Wie der geölte Blitz bin ich ins Freie geschossen. Mal abgesehen davon, dass ich mich vor den Stokers drücken wollte – sehen Sie mich etwa mit dem alten Glossop aus freien Stücken konversieren?«

»Bis dato hat er sich nicht als Ihr konziliantestes Gegenüber erwiesen, Sir.«

»Wenn ich mit einem Menschen im Leben garantiert nicht mehr Zwiesprache halten will, dann mit diesem alten Grindskopf.«

»Ich habe ganz zu erwähnen versäumt, Sir, dass Sir Roderick Ihnen heute Morgen seine Aufwartung machen wollte.«

»Was!?«

»Jawohl, Sir.«

»Er wollte mir seine Aufwartung machen?«

»Jawohl, Sir.«

»Nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist?«

»Jawohl, Sir.«

»Mir bleibt die Spucke weg!«

»Jawohl, Sir. Ich habe ihm mitgeteilt, Sie seien noch nicht auf den Beinen, und er hat gemeint, er komme später wieder.«

»Ach, hat er das?« Ich lachte, und zwar auf meine höhnische Art. »Wenn er das tut, hetzen Sie ihm den Hund auf den Hals.«

»Wir haben aber keinen Hund, Sir.«

»Dann leihen Sie sich im unteren Stock den Spitz von Mrs. Tinkler-Moulke. Ein starkes Stück, dass dieser Kerl auf Stippvisite kommt, nachdem er sich in New York so aufgeführt hat! Etwas derart Unglaubliches habe ich noch nie gehört. Haben Sie schon mal etwas derart Unglaubliches gehört, Jeeves?«

»Um ganz offen zu sein, hat mich sein Erscheinen in Anbetracht der Umstände höchlichst erstaunt, Sir.«

»Das kann ich mir denken. Großer Gott! Gütiger Himmel! Heiliges Kanonenrohr! Der Mann ist so frech wie Rotz und Oskar zusammen.«

Und wenn ich den Leser nun mit den Hintergründen vertraut mache, wird er meine Gefühlsaufwallung gewiss verstehen. Deshalb frischweg die Fakten.

Etwa drei Monate zuvor hatte ich an meiner Tante Agatha eine gewisse Erhitzung wahrgenommen und war vorsichtshalber nach New York abgerauscht, auf dass sie sich in aller Ruhe abkühlen möge. Und schon nach Ablauf der ersten halben Woche machte ich auf einer Art Sause im Hotel Sherry-Netherland Pauline Stokers Bekanntschaft.

Sie verdrehte mir den Kopf. Ihre Schönheit machte mich förmlich trunken.

»Jeeves«, hatte ich damals bei meiner Heimkehr gesagt, »wer war noch gleich der Knilch, der sich beim Anblick einer bestimmten Sache vorkam wie ein Knilch beim Anblick einer bestimmten Sache? Ich habe die Stelle als Schüler auswendig gelernt, aber sie ist mir entfallen.«

»Bei dem Ihnen vorschwebenden Individuum handelt es sich wohl um den Dichter Keats, Sir, der seinen Gemütszustand bei der Erstlektüre von Chapmans Homer-Übertragung mit demjenigen des wackeren Cortez verglich, der den Pazifik mit Adlerblick betrachtete.«

»Den Pazifik, soso?«

»Jawohl, Sir: Und wild starrten die Seinen / Auf einem Bergesgipfel Dariens, schweigend.«

»Volltreffer! Jetzt fällt mir alles wieder ein. Und genauso war mir heute Nachmittag zumute, als ich Miss Pauline Stoker vorgestellt wurde. Bügeln Sie meine Hose besonders sorgfältig auf, Jeeves, ich führe die Werteste zum Dinner aus.«

Nach meiner Erfahrung werden die Liebespfeile in New York besonders zackig verschossen. Muss an der dortigen Luft liegen. Schon nach zwei Wochen machte ich Pauline meinen Antrag. Sie nahm ihn an. So weit, so gut. Doch das dicke Ende kommt erst: Keine48 Stunden später wurde mir ein dicker Strich durch die Rechnung gemacht, und die ganze Chose war abgeblasen.

Die Hand aber, die den Strich so beherzt zog, gehörte keinem anderen als Sir Roderick Glossop.

In meinen Aufzeichnungen habe ich, wie sich der Leser erinnern mag, schon des Öfteren Gelegenheit gehabt, besagtes Gewitteraas zu erwähnen. Dieser glatzköpfige Giftmischer mit den buschigen Brauen mag sich ja als Nervenarzt ausgeben, doch alle Welt weiß, dass er kaum mehr ist als ein überteuerter Seelenklempner. Seit Jahren wächst er ständig vor mir aus dem Boden – und jedes Mal mit den stupendesten Folgen. Und das Schicksal hatte es so gefügt, dass er gerade in New York weilte, als meine Verlobung in den Zeitungen bekanntgemacht wurde.

In die Stadt gebracht hatte ihn eine seiner regelmäßigen Visiten bei George Stoker, J. Washburns Cousin zweiten Grades. Jener George hatte sein Leben lang die Witwen und Waisen drangsaliert, den damit einhergehenden Strapazen am Ende aber doch Tribut zollen müssen. Sein Gesprächsstil war kraus, und er neigte dazu, im Handstand zu gehen. Seit einigen Jahren war er deshalb in Behandlung bei Sir Roderick, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, sporadisch nach New York zu flitzen und George einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Im vorliegenden Falle kam er gerade rechtzeitig, um sich mit dem Frühstückskaffee samt Drei-Minuten-Ei die Nachricht zuzuführen, dass Bertram Wooster und Pauline Stoker in den Hafen der Ehe einzulaufen gedachten. Und wahrscheinlich hechtete er ans Telefon, um den Vater der angehenden Braut anzurufen, ohne sich auch nur den Mund abzuwischen.

Was er J. Washburn genau über mich erzählte, kann ich natürlich nicht sagen, doch über den Daumen gepeilt wird er ihm wohl mitgeteilt haben, ich sei einst mit seiner Tochter Honoria verlobt gewesen und er habe der Sache ein Ende setzen müssen, da er zum Schluss gekommen sei, dass ich eine Meise im Grossformat hätte. Bestimmt sprach er dabei auch die Sache mit den Katzen und dem Fisch in meinem Schlafzimmer an – und zudem wohl den Vorfall mit dem gestohlenen Hut, und gewiss auch meine Marotte, Regenrohre hinabzuklettern, wobei er als Schlussbouquet vermutlich die unselige Geschichte mit der durchlöcherten Wärmflasche in Lady Wickhams Landhaus präsentierte.

Er war ein enger...