: Andrea Nagele
: Und nebenan der Tod Thriller
: Emons Verlag
: 9783987070709
: 1
: CHF 9.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 224
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein tiefenpsychologisch motivierter Thriller, der bis zur letzten Seite in Atem hält. Adele und Niklas aus Venedig tauschen mit einem anderen jungen Paar die Wohnungen, doch die Freude über den Neubeginn in Berlin währt nur kurz. Als eine Nachbarin ihnen immer eigenartigere Dinge über ihre Tauschpartner erzählt, beginnt ihre Welt aus den Fugen zu geraten. Ein gut gehütetes Geheimnis kommt ans Tageslicht, und es drängt sich ein furchtbarer Verdacht auf: In dieser Wohnung muss etwas Grauenhaftes geschehen sein.

Andrea Nagele leitete über ein Jahrzehnt ein psychotherapeutisches Ambulatorium. Heute arbeitet sie als Autorin und betreibt in Klagenfurt eine psychotherapeutische Praxis. Sie pendelt zwischen Klagenfurt am Wörthersee, Grado und Berlin. www.andreanagele.at

1


Adele

Ihr Häuschen war klein, doch an einem der wunderbarsten Orte der Welt gelegen.

Venedig.

Venezia.

Venice.

Wohl Hunderte Male hatten sie in letzter Zeit unabhängig voneinander, manchmal auch gleichzeitig, den Namen ihrer Lieblingsstadt ausgesprochen und dabei glückstrahlend gelacht.

Jetzt saßen sie, abgeschirmt von Nachbarn, mit Freunden in ihrem bezaubernden Minigarten, umgeben von Oleander und Sträuchern, die sie zuvor höchstens mal in einem botanischen Garten bewundert hatten und deren Duft betörend war. Adele konnte nicht genug von diesem Geruch bekommen.

Sie waren noch nicht lange verheiratet und schwebten auf einer wahrhaft rosaroten Wolke allumfassender Liebe.

Fröhlich prosteten sie einander zu, und Adeles Freundin Giovanna legte den Arm um sie. Die anderen naschten Chips und Pistazien, die zwischen ihren Zähnen knirschten.

»Flüstere mir noch mal eure tolle Geschichte ins Ohr«, hauchte Giovanna. Und Adele erzählte.

Ursprünglich kamen Niklas und sie aus Hamburg, waren aber beide zum Studium fortgezogen, er zunächst nach Köln, sie direkt nach Berlin. Und dort hatten sie sich dann endlich kennengelernt, nach der Arbeit in einem Club. Sie waren sofort ineinander verschossen gewesen und hatten von da an fast jede freie Minute miteinander verbracht.

Bald schon stellte sich die Frage, ob sie denn nicht zusammenziehen wollten. Es bedurfte nur eines einzigen Blickes, und die Antwort war klar. Sie wohnten in unterschiedlichen Vierteln, er in Berlin-Mitte, sie an der Grenze von Pankow zu Prenzlauer Berg. Klang gut, war es aber nicht. Die Entfernung zueinander war ebenso groß wie der Weg zu ihren Arbeitsstätten.

Sie überlegten gründlich und sorgsam, welche Kriterien ihr gemeinsames Heim erfüllen sollte, und es war Adele, die schließlich ihrem geheimen Traum Ausdruck verlieh.

»Was hältst du von einer anderen Stadt, nicht hier in Deutschland?«

Niklas verstand nicht gleich, er schaute sie eine Weile verdutzt an. »Gleich ein kompletter Länderwechsel?«

»Warum nicht? Was spricht dagegen?«

Zuerst antwortete er nicht, dann forderte er sie mit ernster Miene auf: »Schließ deine Augen. Eine so bedeutungsvolle Entscheidung ist nämlich nicht ohne Bedingungen zu treffen.«

»Jetzt machst du mir Angst.« Adele war kurz erschrocken über den abrupten Wechsel seiner Stimmlage und riss gegen seine Anweisung ihre hellen, graugrün schimmernden Augen weit auf.

»Worum habe ich dich gerade gebeten, mein Liebling? Hör bitte ein einziges Mal auf mich. Auch wenn es dir schwerfällt.«

»Ach ja. Augen zu.« Jetzt gluckste sie, und eine unbestimmte Last, deren Anwesenheit sie zuvor gar nicht recht gespürt hatte, fiel von ihren Schultern. »Aber beeil dich, ich platze gleich vor Ungeduld.«

Sie kauerte auf dem Perserteppich, ihre zarten Hände vorm Gesicht, und hielt den Atem an, als eine wunderschöne Musik erklang. Sie kam wohl aus Niklas’ iPhone.