: Lutz Kreutzer, Rut Bernardi, Horst Jobstraibitzer, Felix Leibrock, Andrea Nagele, Ralph Neubauer, Si
: Lutz Kreutzer
: Schaurige Orte in Südtirol Unheimliche Geschichten
: Gmeiner-Verlag
: 9783839271667
: 1
: CHF 10.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 285
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zwölf schaurige Geschichten von zwölf Autoren über zwölf reale Orte in Südtirol, angelehnt an Legenden und Ereignisse in Vergangenheit und Gegenwart. Welch ungewöhnliche Abenteuer ein Magier bestehen musste, um den Erzherzog Johann zu seiner Grablege im Schloss Schenna zu begleiten. Auf welche Weise der Paternkofel für die tragische Geschichte zweier Männer steht, deren Schicksal sie als Bergsteiger wie auch als Todfeinde verbindet. Und warum die Knappengeister vom Totensee immer noch ihr Unwesen treiben ...

Lutz Kreutzer wurde 1959 in Stolberg geboren. Er schreibt Thriller, Kriminalromane sowie Sachbücher und gibt Anthologien heraus. Am Forschungsministerium in Wien gründete der promovierte Naturwissenschaftler ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit. In Hörfunk und TV wurden viele Beiträge über seine Arbeit gesendet. Er arbeitete lange als Manager in der IT- und Hightech-Industrie. Seine beruflichen Reisen und alpinen Abenteuer (in Südtirol: 'Große Mauer', 'Messner-Platte', 'Gelbe Kante' u. a.) nimmt er zum Anlass, spannende Literatur daraus zu machen. Auf Buchmessen wie Frankfurt und Leipzig sowie auf Kongressen hat er zahlreiche Autoren gecoacht. Seine Arbeit wurde mit mehreren Stipendien gefördert. Er lebt in München. Mehr: www.lutzkreutzer.de

01 Die bösen Engel


von Robert Preis


Mein Name ist Stephan Kowalski-Knapp, Buchhändler in Prag. Erst kürzlich fand ich das Tagebuch eines entfernten Vorfahren, Marek Baptist Knapp (1809–1869), der im Jahre 1859 von Seiner Majestät Kaiser Franz Joseph I. angeblich mit einer brisanten Aufgabe betraut worden sei. Einer Aufgabe, die ihn das Leben kosten sollte, ihn aber auch unsterblich machte.

Aus dem Büchlein geht hervor, wie sehr er als Lector1unter der Ignoranz der Menschen zu leiden hatte. Und unter seinen besonderen Fähigkeiten. Kaum jemand glaubt den Lectorenso wie einst in früheren Zeiten, niemand schenkt ihnen Achtung oder gar Anerkennung. Vielleicht deshalb, weil Lectorendazu neigen, ihre Eingebungen und seherischen Fähigkeiten allzu deutlich in die Wirklichkeit der anderen einzubringen. Aber, geschätzte Leser, bewerten Sie selbst, welch unglaublichen Gefahren und Nöten mein Vorfahr, Marek Baptist Knapp, gegenübergestanden haben mag.

*

Graz, 11. Mai 1859

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Uhren um 8.45 Uhr stehen geblieben waren. Ich weiß nur, dass es plötzlich still war. In meiner Erinnerung war es damals so leise, dass das Ticken keinen Platz hatte. Nicht einmal das Schluchzen und das Atmen der Umstehenden. Nichts hatte Platz außer der Tod. Johann hatte ausgeatmet und nicht wieder ein. Der Erzherzog,der Steirische Prinz, war tot.

Seit drei Uhr in der Früh hatte ich – angereist aus Ödenburg, wo ich als Offizier stationiert war – am Totenbett gesessen. Ich war sofort losgeritten, hatte ihn jedoch nur noch sterben sehen. Unsere Abschiedsworte, unser Flehen, Johann möge durchhalten und die Krise bewältigen, waren in seinem rasselnd schwachen Atem verklungen, ehe er schließlich mit einem Seufzen entschwand.

Die Kunde vom Ableben des Erzherzogs Johann verbreitete sich rasend schnell. Bereits während der Pfarrer den Leib segnete und die Gebete am Totenbett gemurmelt wurden, begannen die Glocken in Graz zu läuten. Die Leonhardkirche, die Leechkirche, der Dom, alles bewegte die Glocken. Nur die Leute waren unbeweglich, denn was in der Stadt zu dieser Morgenstunde auf den Beinen war, hielt inne und bekreuzigte sich. Der von vielen so sehr geliebte Erzherzog hatte das Zeitliche gesegnet. Das von vielen so sehr verdrängte Sterben war ins Bewusstsein des Alltags getreten. Ein unglaublich trauriger Moment.

Nur ich hatte keine Zeit für Trauer. Ich musste eilen, um Schlimmeres zu verhindern. Schlimmeres als den Tod.

Mir war bewusst, dass mich die anderen argwöhnisch betrachteten, ich spürte ihre Blicke auf meinem Rücken, und doch eilte ich aus dem Haus hinaus auf die gepflasterten Straßen, ohne mich ein einziges Mal umzudrehen. So traurig mich Johanns Tod machte, Zeit zu trauern blieb mir nicht.

Graz, 15. Juni 1869

Ausgerechnet auf Tiroler Erde. Das war Johanns Wunsch gewesen, dort wollte er begraben werden. Das hat mich zehn Jahre gekostet.

Johanns Ende war mein Anfang gewesen. Vom Kaiser persönlich mit der Überstellung des ehrwürdigen Leichnams beauftragt, hatte ich damals schnell und gewissenhaft gehandelt und noch im Monat, in dem Johann gestorben war, eine Reise durch Wälder und Schluchten, über Pässe und Felshänge begonnen, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte. Ich war in Gegenden gewesen, die ich nur durch die kaum bekannten Pläne des Augustinermönchs Johannes Clobucciarich gefunden hatte. Vor mehr als 25