»Träumst du schon wieder, Ariane?« Lächelnd wandte sich Richard Herzog, der gerade vor dem kleinen Häuschen zwei Rosenstöcke beschnitt, zu seiner Tochter um.
Die neunzehnjährige Ariane saß auf den Steinstufen vor dem Haus. Sie hatte die Ellenbogen auf die angezogenen Knie gestützt und das Kinn auf die Handflächen gelegt. Ein sehnsüchtiger Blick war in den rehbraunen Augen, die das fein geschnittene Gesicht mit der zierlichen Nase und dem so weiblichen zarten Mund vollkommen beherrschten. Das dunkle Haar mit dem kleinen frechen rötlichen Schimmer gab diesem schönen Mädchengesicht eine ganz besondere Note.
Ariane war vollkommen in den Anblick des riesigen Parks versunken, der die in der Ferne liegende alte Villa umgab. Zwei mächtige Säulen begrenzten den Eingang des Siebzigzimmerhauses, und wilder Wein rankte sich bis zum obersten Stockwerk empor.
»Du träumst also tatsächlich«, stellte Richard Herzog fest. Er nahm seinen Gartenhut ab und strich sich über die Stirn. Die Sonne meinte es gut an diesem Spätnachmittag im Mai.
»Ob sie dort drüben heute wohl wieder ein Fest feiern?«, fragte Ariane versonnen. »Den ganzen Tag über haben die Mädchen Fenster geputzt, und der Gärtner hat große Fliedersträuße in die Villa getragen. Wie schön muss es sein, an einem solchen Fest teilzunehmen!«
»Hör auf, Luftschlösser zu bauen, Ariane«, mahnte der Vater. Er legte dem Mädchen die Hand auf die Schulter. »Wunschträume bringen nur Kummer und Unzufriedenheit. Uns geht es doch gut. Warum sollten wir uns etwas wünschen, was für uns unerreichbar ist?«
Ariane blickte den Vater lächelnd an. Sie konnte so bezaubernd lächeln, dass einfach jedes Männerherz bei diesem Anblick schmolz.
»Du hast recht, Papa. Ich will ja auch nicht undankbar sein. Nur manchmal möchte ich auch ein so wundervolles Kleid tragen wie die Damen, die dort drüben zu dem Fest gehen.«
»Du bist wirklich noch ein Kind, Ariane«, schmunzelte der Vater. »Ich glaube, du brauchst all die eleganten Damen, die in die Villa zu einem Fest gehen, nicht zu beneiden. Manche sind in ihrem Herzen vielleicht unglücklicher als du. Ein schönes Kleid, Pelze und Schmuck, das alles macht keine innere Zufriedenheit aus. Wir haben hier unser Häuschen und unseren kleinen Garten. Was wollen wir mehr?«
»Ach, Papa, nur ein einziges Mal möchte ich dabei sein«, seufzte Ariane. Wieder glitt ihr Blick zur Villa hinüber.
»Schlag dir das aus dem Kopf, Kind.« Richard Herzog legte die Gartenschere beiseite und setzte sich einen Augenblick zu seiner Tochter auf die Steinstufen. »Ich bin hier nur Chauffeur und habe mich um den privaten Wagenpark der Richters zu kümmern. Nie im Leben