: Sheila O?Flanagan
: Sommerreise ins Glück Roman | Das perfekte Geschenk zum Muttertag
: Insel Verlag
: 9783458768944
: 1
: CHF 13.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Deira hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie sich plötzlich allein, mit dem Auto ihres Ex, auf der Fähre von Irland nach Frankreich wiederfindet und ihr Lebenstraum geplatzt ist wie eine Seifenblase.

Grace dagegen wurde von ihrem verstorbenen Mann auf die Reise geschickt, auf eine Schatzsuche, die - so wie es immer war - nach seinen Spielregeln ablaufen soll.

Die beiden so unterschiedlichen Frauen lernen sich auf der Überfahrt kennen, mögen sich sofort und beschließen spontan, die Tour durch die flirrende Sommerlandschaft Frankreichs und Spaniens gemeinsam zu machen. Die Fahrt führt sie nach La Rochelle, Bordeaux, Pamplona und Toledo, wo sie raffiniert erdachte Rätsel lösen müssen, um den Code für den Schatz zu knacken. Unterwegs warten unverhoffte Begegnungen auf Deira und Grace, und je näher sie der Lösung des Rätsels kommen, desto klarer wird für beide, dass das Glück im Leben oft ganz woanders liegt als gedacht.

Sheila O'Flanagan nimmt uns mit auf eine sommerliche Reise, an deren Ende nicht nur ein Schatz wartet, sondern das Leben selbst.

<p>Sheila O'Flanagan<strong></ trong>arbeitete viele Jahre sehr erfolgreich als Börsenmaklerin in Dublin, bevor sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Mittlerweile hat sie zahlreiche Romane veröffentlicht und ist in England und Irland eine gefeierte Bestsellerautorin. Nebenbei schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der<em>Irish Times</em>.</p>

1. Kapitel


Grand Canal, Dublin, Irland: 53.3309 ‌°N 6.2588 ‌°W

Auch als sie bereits ihr Gepäck im winzigen Kofferraum des Cabrios verstaut hatte, war sich Deira immer noch nicht sicher, ob sie die Sache wirklich durchziehen sollte. Obwohl dies hier der einfache Teil war. Schwierig war es gestern Abend gewesen, als sie in die spärlich beleuchtete Tiefgarage gegangen war und der Augenblick zwischen Hoffen und Bangen, ob sich der Audi automatisch entriegeln würde. Obwohl sie sich pausenlos versicherte, niemand werde von ihr Notiz nehmen, rechnete sie doch damit, dass aus dem Nichts ein Anwohner auftauchen und wissen wollen würde, was zum Kuckuck sie da machte. Doch der einzige Mensch außer ihr, ein von Kopf bis Fuß in Lycra gehüllter junger Mann, war zu sehr damit beschäftigt, die diversen Sicherheitsschlösser und -ketten von seinem Fahrrad zu pfriemeln, um auf Deira zu achten.

Trotzdem war sie enorm erleichtert, als sie am Türgriff zog und das vertraute Klicken ertönte. Als sie sich im Fahrersitz niederließ, stellte sie befriedigt fest, dass sich dieser auf Knopfdruck in ihre bevorzugte Sitzposition bewegte. Sie hatte angenommen, ihre persönliche Einstellung sei gelöscht worden. Anders als befürchtet hing weder ein fremdes Parfum noch ein unbekannter Shampoogeruch in der Luft. Auch überkam sie nicht das Gefühl, jemand hätte ihren Platz eingenommen. Alles war wie immer. Ihr Herzschlag beruhigte sich allmählich. Alles fühlte sich normal an. Einfach. Richtig.

Während sie langsam aus der Garage fuhr, gratulierte sich Deira innerlich, dass sich ihre Laufbahn als Kriminelle so gut anließ.

Da sie im Besitz eines Schlüssels war, konnte es unmöglich eine Straftat sein, wenn sie den Audi nahm, egal, wie andere das sehen mochten. Trotzdem sollte sie es nicht tun. Doch die Phase des Zweifelns lag hinter ihr. Und wie unerwartet tröstlich es war, wieder in diesem Auto zu sitzen – die Sache hatte sich definitiv gelohnt.

Sie knallte den Kofferraum zu und während sie zu den Mews zurückkehrte, den zu Wohnhäusern umgebauten ehemaligen Stallungen, die am Canal lagen, spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen traten und biss fest auf die Zähne, damit keine herabkullerte. Auch wenn sie es absolut satthatte, heulte sie bei der geringsten Kleinigkeit unkontrolliert los und brachte sowohl sich als auch ihre Umwelt in Verlegenheit. Deira wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Und wenn es nur ihrer Haut zuliebe war, sie musste darüber hinwegkommen. Ihr Teint war schon ganz ruiniert vom Salz der endlosen Tränenflut.

Deira warf einen Blick auf die Uhr, die an der Küchenwand hing, und atmete langsam aus. Wenn sie nicht in letzter Minute kneifen wollte, musste sie jetzt los. Nach der ganzen Mühe wäre es die absolute Katastrophe, wenn sie die Fähre verpasste.

Aber statt sich Schlüssel und Tasche zu schnappen, legte sie eine Kapsel in die Kaffeemaschine und machte sich einen Americano, den sie schlückchenweise trank, während sie mehrmals überprüfte, dass auf den Tickets vor ihr wirklich das richtige Datum stand – jetzt bloß nicht am falschen Tag losfahren! Während der letzten beiden Monate hatte sie dermaßen viel Unsinn verbrochen, dass sie sich selbst nicht mehr traute. Deira gingen die Anrufe, die E-Mails und – die absolute Krönung – die theatralische Szene im Büro durch den Sinn und sie schauderte. Zwar hatte man sie zum Narren gehalten, aber sie hatte auch bereitwillig ihren Teil dazu beigetragen. Und das war bitter.

Sie steckte die Tickets zurück in ihre Handtasche. Das Datum war korrekt. Sie war noch nicht völlig schwachsinnig geworden, egal wie andere das sahen.

Sie hatte die vor neun Monaten gebuchte Reise völlig vergessen, bis der eingezogene Betrag ihr Konto in die roten Zahlen geraten ließ. Ihr war erst bewusst geworden, dass sie in den Miesen war, als beim Friseur ihreEC-Karte nicht angenommen wurde. Eine weitere Demütigung. Natürlich war sie in Tränen ausgebrochen.

Es war Gavins Idee gewesen, mit dem Auto nach Frankreich zu fahren; er gestand, dass er unbedingt mit einem schicken Cabrio über solide Autobahnen düsen wollte, ehe ihn die Leute als traurigen alten Sack abstempelten und abfällige Kommentare über seine Potenz machten.

Deira hatte darüber lachen müssen und ihn umarmt.

»Niemand wird dich je für einen traurigen alten Sack halten«, hatte sie ihn beruhigt, »das trauen sie sich nicht.«

Gavin Boyer sah mindestens zehn Jahre jünger aus als siebenundfünfzig. Zwar waren seine Haare – früher noch dunkler als Deiras – mittlerweile fast komplett silbergrau, doch dadurch wirkte er nur noch distinguierter. Er war groß und breitschultrig und auch wenn er um die Taille herum nicht mehr ganz so rank und schlank wie in seinen Dreißigern war, hatte er sich doch seine athletische Figur erhalten. Dafür reichte es, wenn er zweimal die Woche Golf spielte und gelegentlich im Swimmingpool des nahegelegenen Fitnessstudios seine Bahnen zog – was Deira höchst ungerecht fand. »Stoffwechsel«, sagte er stets leichthin, wenn sie sich beschwerte, dass sie, obwohl siebzehn Jahre jünger, schon zunahm, wenn sie eine Kekspackung auch nur ansah. Zu ihrem monatlichen Gang zum Friseur, wo sie sich das zunehmende Grau mit einem Kastanienbraun überfärben ließ, das ihrer natürlichen Haarfarbe einigermaßen nahekam, schwieg er.

Wirklich ungerecht, ging ihr wieder einmal durch den Kopf. Aber das Leben war nun einmal nicht gerecht. Wenn es das wäre, würde sie jetzt nicht mit einer kalt werdenden Tasse Kaffee in der Hand dastehen und sich fragen, ob er ihr die Polizei auf den Hals hetzen würde, wenn er nach Hause kam.

Sie nahm einen Schluck. Kein Grund zur Panik. Er würde ihr die Polizei nicht auf den Hals hetzen, denn ihm würde erst Ende nächster Woche auffallen, dass das Auto fehlte. Selbst für den Fall, dass er sie verdächtigen würde, wäre sie schon über alle Berge und er konnte nichts unternehmen. Interpol schaltete sich wohl kaum ein, wenn es um ein verschwundenes Auto ging.

Sie schüttelte den Kopf. Autodiebstahl. Interpol. Das alles lag ihr so fern. Frankreich war als Urlaub geplant gewesen. Als gemeinsamer Urlaub.

Ursprünglich hatten sie ein paar Tage lang die Bretagne erkunden wollen, dann weiter nach Paris. Wenn er sich schon seinen Traum erfüllte, im offenen Cabrio über die Autobahn zu düsen, hatte sie ihm klargemacht, wolle sie wenigstens sagen können, sie sei in einem Sportwagen durch die französische Hauptstadt gegondelt, während der warme Wind mit ihrem Haar spielte. Auf seinen verdutzten Blick hin hatte sie erklärt, einer der Lieblingssongs ihrer verstorbenen Mutter sei »Ballad of Lucy Jordan« gewesen, ein wehmütiges Lied, in dem einer Siebenunddreißigjährigen, unentrinnbar in ihrem Alltag gefangen, auf einmal klar wird, dass sie genau dieses Erlebnis nie haben wird. Als Deira alt genug war, den Text zu verstehen, hatte sie Mitleid mit Lucy Jordan gehabt und sich gefragt, ob es ihrer Mutter genauso ging. Jetzt näherte sie sich selbst ihrem vierzigsten Geburtstag, war mittlerweile mehrmals in Paris gewesen, aber noch nie mit offenem Verdeck durch die Straßen der Stadt gebraust – und hatte im Grunde auch nie ein besonderes Interesse daran gehabt, bis zu jenem Tag, an dem sie das Cabrio vom Händler abholten.

Bis vor kurzem hätte Deira schon die bloße Vorstellung, eine Frau könne sich mit siebenunddreißig abgewrackt fühlen, in Rage gebracht. Aber inzwischen war ihr klar geworden, dass es nicht nur darum ging, wie man sich fühlte, sondern auch dass manches, was bisher gar nicht so wichtig schien, auf einmal unerreichbar schien. Und das war der Hauptgrund, weshalb sie in den letzten zwei Monaten jeden Tag geweint hatte.

Wieder warf sie einen Blick auf die Uhr. Mit Mühe und Not würde sie es gerade noch rechtzeitig nach Ringaskiddy schaffen. Mit dem Auto brauchte man drei Stunden und sie musste vierzig Minuten vor Ablegen der Fähre am Terminal sein. Wenn sie sich nicht von ihrem Plan verabschieden wollte, musste sie jetzt los. Trotzdem hielt etwas sie zurück. Was genau eigentlich? Die lange Fahrt? Das Wissen, dass sie in einem Wespennest herumstocherte? Die Sorge, was die Leute sagen würden?

»Wenn er anruft, ist das ein Zeichen, und ich bleibe«, sagte sie laut, obwohl sie genau wusste,...