: Walter Flex
: Der Wanderer zwischen beiden Welten 1
: OTB eBook publishing
: 9783956765100
: 1
: CHF 1.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 53
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Der Wanderer entstand in den Jahren 1915 und 1916. Flex widmete die Novelle seinem 1915 bei Simnen gefallenen Kriegskameraden und Freund Ernst Wurche, dem „Idealbild des deutschen Kriegsfreiwilligen und Frontoffiziers, aber auch des neuen Menschen und Menschenführers, der beiden Welten, Erde und Himmel, Leben und Tod, gleich nahe ist“. (Auszug aus Wikipedia)

Der Wanderer zwischen beiden Welten


von

Dem Gedächtnis meines lieben Freundes
Ernst Wurche
Kriegsfreiwillig im 3. niederschlesischen Inf.-Rgt. 50
Leutnant d. R. im 3. unterelsässischen Inf.-Rgt. 138

Eine stürmische Vorfrühlingsnacht ging durch die kriegswunden Laubwälder Welsch-Lothringens, wo monatelanger Eisenhagel jeden Stamm gezeichnet und zerschroten hatte. Ich lag als Kriegsfreiwilliger wie hundert Nächte zuvor auf der granatenzerpflügten Waldblöße als Horchposten und sah mit windheißen Augen in das flackernde Helldunkel der Sturmnacht, durch die ruhlose Scheinwerfer über deutsche und französische Schützengräben wanderten. Der Braus des Nachtsturms schwoll anbrandend über mich hin. Fremde Stimmen füllten die zuckende Luft. Über Helmspitze und Gewehrlauf hin sang und pfiff es schneidend, schrill und klagend, und hoch über den feindlichen Heerhaufen, die sich lauernd im Dunkel gegenüberlagen, zogen mit messerscharfem Schrei wandernde Graugänse nach Norden.

Die verflackernde Lichtfülle schweifender Leuchtkugeln hellte wieder und wieder in jähem Überfall die klumpigen Umrisse kauernder Gestalten auf, die in Mantel und Zeltbahn gehüllt gleich mir, eine Kette von Spähern, sich vor unseren Drahtverhauen in Erdmulden und Kalkgruben schmiegten. Die Postenkette unsres schlesischen Regiments zog sich vom Bois des Chevaliers hinüber zum Bois de Vérines, und das wandernde Heer der wilden Gänse strich gespensterhaft über uns alle dahin. Ohne im Dunkel die ineinanderlaufenden Zeilen zu sehen, schrieb ich auf einen Fetzen Papier ein paar Verse:

Wildgänse rauschen durch die Nacht
Mit schrillem Schrei nach Norden –
Unstäte Fahrt! Habt acht, habt acht!
Die Welt ist voller Morden.

Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt,
Graureisige Geschwader!
Fahlhelle zuckt, und Schlachtruf gellt,
Weit wallt und wogt der Hader.

Rausch' zu, fahr' zu, du graues Heer!
Rauscht zu, fahrt zu nach Norden!
Fahrt ihr nach Süden übers Meer –
Was ist