Was hält eine Gesellschaft als übergreifenden Zusammenhang mehrerer Generationen zusammen? Das ist nichts anderes als die Arbeit, die die Generationen im Verhältnis zueinander, füreinander erbringen. Also die Arbeit als Gabe der jeweils einen Generation an die jeweils anderen. Zunächst leistet sie die Elterngeneration im Verhältnis zur nachwachsenden Generation ihrer Kinder und dann sind es später ihre eigenen Kinder, die wiederum dafür sorgen, dass die dann älteste Generation versorgt und würdig leben kann. Das Generationsverhältnis stellt folglich im Kern ein umfassendes, auf Gegenseitigkeit angelegtes Arbeitsverhältnis dar. Dabei besteht nur ein gewisser Teil aus ökonomisch organisierter, bezahlter Erwerbsarbeit – ein insgesamt gesehen wahrscheinlich noch viel größerer Teil besteht aus der Arbeit, die in Familien und Familienverbänden als Erziehungsoder Sorgearbeit erbracht wird. Schon ein erster Blick auf diese Zusammenhänge belegt folglich, wie ungeheuer gewichtig die füreinander erbrachte Arbeit für den Zusammenhalt, die Lebensqualität aller und damit insgesamt die Aussichten einer jeden Gesellschaft ist.
Deutlich wird auch: Diese Arbeit ist weit mehr als nur das, was sich im Generationenvertrag oder auch sonst in irgendeiner Weise miteinander vereinbaren lässt. Diese Arbeit stellt in einem empathischen Sinne eine Gabe zwischen den Generationen dar, eine Gabe, die die Menschen verbindet – ganz im Sinne des klassischen Satzes: »All gifts are binding«, alle Gaben stiften Bindungen –, da sie reizprok ist. Ganz im Sinne neuer Forschungen zur Theorie der Gabe geht es hier nicht um etwas, was das Eigeninteresse der Generationen grundsätzlich kontrastiert, es geht nicht (jedenfalls nicht primär) um Gaben im Sinne einer altruistischen Beziehung. Von Interesse ist die Feststellung eines sozialen Rahmens, der die Menschen verpflichtet, füreinander in vielerlei Hinsichten da zu sein. Denn diese Gabe der Arbeit zwischen den Generationen ist obligatorisch. Sie kann nur um den Preis des Herausfallens aus der Gesellschaft verweigert werden. Sie kann allerdings in sehr verschiedener Form organisiert sein. Die mittel- und nordeuropäische Tradition des Sozialstaates setzt hier grundsätzlich andere Akzente als die familienbasierten Systeme Asiens oder die radikal marktorientierten Gesellschaften der angloamerikanischen Welt.
Es geht um eine Haltung, die durch den Austausch der Gaben konstituiert wird: um die Stiftung einer stabilen Beziehung. Mithin stellt der Zusammenhang der Arbeitsbeziehungen auch das Verhältnis der Generationen auf eine tragfähige und solide Ebene. Genau in dieser Hinsicht – das sei schon einmal vorweggenommen – stellt die von Menschen geleistete Arbeit auch stets, wie schon Karl Marx und Karl Polanyi zeigen konnten, sehr viel mehr dar, als nur eine von den Arbeitenden ablösbare Leistung (Arbeitskraft). Die Arbeit ist vom Leben selbst und vom Arbeiter untrennbar. »Selling one’s labor amounts to willingly or unwillingly entering some part of oneself, some dimension of one’s life, into the marketplace, even though one may wish to keep the two separate.«3 Dieser Befund trifft natürlich auf jede Art von Arbeitsbeziehung zu, aber er gilt ganz besonders noch einmal, wenn man eine