: Heinz von Wilk
: Der Pate vom Chiemsee Oberbayern Krimi
: Emons Verlag
: 9783960413226
: 1
: CHF 6.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Unkonventionell und gnadenlos: ein rasanter Trip durch die Rosenheimer Unterwelt Albin Stocker und sein Partner Zeno sind Problemlöser - sie fangen da an, wo die Polizei aufhört. Ihr neuester Auftrag führt sie zu den dunklen Seiten Rosenheims: In den Bunkeranlagen unter dem Bahnhof liegt etwas, das viele haben wollen. Es geht um eine Menge Geld, mächtige Männer im Hintergrund und um eine offene Rechnung. Vorsicht ist geboten - denn diesmal kommt es knüppeldick.

Heinz von Wilk, 1949 geboren, ist in Rosenheim aufgewachsen und als Musiker viele Male um die Welt gereist. Er betrieb eine Künstleragentur in Osnabrück, anschließend eine Immobilienfirma im spanischen Dénia, heute lebt er mit Frau und Dackel im Chiemgau.

Rosenheim von unten


»Was glauben Sie, warum mein Ex-Sicherheitschef aus dem Gefängnis geflohen ist? Er hätte doch nur noch ein halbes Jahr oder so vor sich gehabt. Na, was denken Sie?«

Die Augen des alten Mannes sahen aus wie Glasmurmeln, die man in einen Brotteig gesteckt hatte, der dann alt, hart und grau geworden war. Das dunkelgrüne Glitzern in ihnen erinnerte Stocker an die Scherben einer zerbrochenen Weinflasche. »Keine Ahnung. Sagen Sie es mir.«

Der Mann presste die dünnen, trockenen Lippen zusammen, seufzte und sagte dann mit brüchiger Stimme: »Was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster schauen, Herr Stocker?«

»Die Bahnhofstraße. Menschen, die es eilig haben oder auch nicht. Autos, Fahrräder, den Rosenheimer Bahnhof. Warum?«

Stocker drehte sich vom Fenster des Büros im ersten Stock der Tagesklinik weg. Der Alte saß im Stuhl hinter dem Schreibtisch. Seine braunfleckigen Hände, die er mit verschränkten Fingern vor sich auf der polierten Holzplatte liegen hatte, sahen aus wie Krallen eines großen Raubvogels.

»Es gab zwei Bunker im Süden des Bahnhofs und einen im Norden. Der im Norden ist noch vorhanden. Schauen Sie mal, da, wo die Taxis stehen. Genau da drunter ist er.«

Der dünne alte Mann atmete durch den Mund und sah nach oben, als wäre ihm plötzlich was eingefallen. »Es gab elf Luftangriffe auf Rosenheim. Das ist nicht viel im Vergleich zu anderen Städten.« Er schwieg, atmete rasselnd ein, und seine Augen glitzerten im Licht der Neonröhren, die das Zimmer in ein unwirkliches, grelles Tageslicht tauchten. »Im Juni letzten Jahres haben sie angefangen, mit Baggern da rumzugraben. In der Gegend des ehemaligen Haupteinganges.«

Es hatte aufgehört zu regnen, und der Himmel begann sich aufzuklären. Wind kam auf, und die Fahne vor dem Telekom-Gebäude gegenüber hing am Mast wie ein nasser Lappen. Verdreht und tropfend, während das Nylonseil im Wind wie ein entzündeter Nerv stetig gegen die Stange zuckte.

»Um ehrlich zu sein, interessiert mich das alles herzlich wenig. Was genau wollen Sie von mir, Herr von Bernbach? Doch keine Konversation über historische Ereignisse oder über Ihren … wie soll ich sagen … Ex-Mann für alle Fälle?«

Der Alte starrte auf seine Hände. »Mein Vater hat mir eine Klapperschlange geschenkt. Die war in einem großen, runden Glas, das mit gelblichem Formaldehyd gefüllt war. Die Schlange hatte ihr Maul weit offen und gegen das Glas gepresst. Die Augen blinkten im Licht wie Diamanten, und man konnte die Fangzähne mit den Löchern sehen, aus denen bei einem Biss das tödliche Gift kommt.« Der Mann verstummte und schloss kurz die Augen. »Nach vielen Jahren im Glas waren mit der Zeit die Farben der Schlangenhaut verblasst, und der Körper begann, sich in fadenförmige Striemen aufzulösen.«

»Warum erzählen Sie mir das?«

Von Bernbach lachte krächzend. »Mein Vater wollte mir mit diesem Geschenk klarmachen, dass das Böse auch dann noch böse bleibt, wenn man glaubt, es sei tot oder