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So war es, wenn man verlor.
Man war allein. Es ging einem schlecht. Man war sehr, sehr müde.
Marcus Hamilton war allerdings nicht tatsächlich allein. Er hockte mit siebzehn weiteren Personen im Gang vor der Triebwerkssektion des Schweren ZerstörersTRSProxima. Jeder Einzelne von ihnen war mit Notmanschetten an der Wand fixiert, um nicht bei jeder Bewegung durch die Schwerelosigkeit zu treiben. Schwerelosigkeit, die es in einem voll funktionsfähigen Schiff gar nicht geben dürfte. Leider war die gute alteProxima weit davon entfernt, voll funktionsfähig zu sein.
Zwei der siebzehn Personen waren tot. Techniker Zweiter Klasse Petal saß ihm gegenüber. Aus seinem Mundwinkel schwebte ein feiner Blutfaden, der sich wie ein dünner Wurm durch die Luft wand. Petals Augen waren geöffnet, er sah Marcus blicklos an. In ihm war kein Leben mehr. Von außen war gar nichts zu sehen. Innere Verletzungen, zerdrückte Organe, nachdem die Schwerkraftkompensation ausgefallen war. Petal war in Ordnung gewesen. Marcus hatte oft mit ihm zusammengearbeitet.
Der andere tote Mann saß ein Stück entfernt. Sein Kopf war ganz unnatürlich zur Seite geknickt. Marcus wollte gar nicht hinsehen. Er kannte ihn nicht. Niemand schien ihn zu kennen, jedenfalls sah keiner hin.
So war es, wenn man verlor.
Fünf Flüchtlinge von anderen Schiffen der unterlegenen Flotte saßen mit ihm im Gang. Hoffnungslose Gestalten, voller Angst, aus Rettungskapseln geborgen. Ein notdürftig geschienter Arm, zwei von Druckverbänden umwickelte Schädel, einer hustete dauernd, ein wenig zu oft und zu heftig für Marcus’ Geschmack. Die Krankenstation des Zerstörers war überfüllt. Der Techniker wollte nicht einmal daran denken, wie es dort zuging. DieProxima hatte eine Sollstärke von hundertsechsundvierzig Besatzungsmitgliedern. Jetzt waren sicher viermal so viele Leute an Bord, die meisten in einem erbärmlichen Zustand, innerlich wie äußerlich, physisch wie psychisch.
Nicht dass Marcus sich allzu gut fühlte.
Aber so war es eben, wenn man verlor.
Vor allem dann, wenn sich eine Niederlage über Tage hinzog. Vor allem dann, wenn sie auf Verrat beruhte. Raumschlachten waren keine heroischen Blitzgewitter. Sie waren endlos lange Phasen, in denen Raumschiffe endlos weite Schleifen flogen, um irgendwann kurz übereinander herzufallen, ehe die Gesetze der Physik sie wieder voneinander forttrugen. Auf der Kommandobrücke ging es dabei nach allem, was man hörte, dennoch hektisch und angespannt zu. Doch hier im Bauch des Schiffes hatte man genug Zeit, um die Toten zu betrauern, die Verletzten zu versorgen, zu reparieren, was man konnte, und Angst vor dem nächsten Zusammentreffen zu entwickeln. Marcus hatte große Angst. Sie saß tief in seinem Bauch und fraß dort an seinen Eingeweiden. Sie vermischte sich mit Wut auf die Schiffe, die sich im entscheidenden Moment gegen die eigenen Kameraden gewandt und der Flotte der Republik damit den Todesstoß versetzt hatten.
Er blickte in Petals tote Augen. Da war keine Angst mehr. Er war beinahe neidisch.
Marcus sah auf. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er erkannte es sofort und war alarmiert. Das Modul schwebte sachte durch die Luft. Es war kugelförmig, hatte einen Durchmesser von etwa zwanzig Zentimetern, und die Kontaktfläche leuchtete. Es hatte sich irgendwann gelöst, und jetzt glitt es durch den Gang. Es handelte sich um eine Notbatterie für Gefechtssituationen, die mit Energie angefüllt war. Das war nicht gut. Marcus verfolgte die Flugbahn mit den Augen. Da drüben waren die aufgerissenen Innereien der Leitungen, offen gelegt durch eine Kaskadenexplosion, deren Auswirkungen Marcus hatte reparieren