„Dein Mundwerk wird dich eines Tages in große Schwierigkeiten bringen.“
Meine Mutter fing an, das zu sagen, sobald ich sprechen konnte. Es stellte sich heraus, dass sie nicht ganz falsch lag. Als ich zehn Jahre alt war, hatte meine Weigerung, den Mund zu halten, uns beinahe aus unserem Cottage fliegen lassen. Und eine Woche bevor ich dreiundzwanzig wurde, war ich auf der Flucht, gesucht wegen Mordes.
Das rhythmische Schnauben der Lokomotive beruhigte meine Sinne wieder. Ich hatte keine klare Erinnerung daran, wie ich zum Bahnhof gekommen war. Aber der Schmerz in meinem Brustkorb, wenn ich zu atmen versuchte, und die Tatsache, dass mein Kleid an meinem Rücken klebte, sagten mir, dass ich jeden einzelnen Schritt der fünf Meilen gerannt sein musste. Über den Zustand der Vorderseite meines Kleides wollte ich gar nicht erst nachdenken. Ich zog mein Schultertuch enger um mich und betrachtete die anderen Menschen in meinem Abteil. Ein altes Bauernpaar mit vom Wetter geröteten Wangen döste bereits in der hinteren Ecke, dazu eine junge Mutter mit zwei lebhaften Kindern und in Erwartung eines weiteren sowie ein Priester. Er erwiderte meinen Blick und ich sah rasch weg, nur für den Fall, dass Priester Gedanken lesen könnten – oder Geständnisse abringen. Wäre er nicht überrascht, jetzt meines zu hören?
Jedes Mal, wenn der Schaffner durch den Zug ging und in mein Abteil blickte, war ich mir sicher, dass er nach mir suchte.
Andererseits war das albern, oder nicht? Justin Hartley lag tot auf meinem Küchenfußboden, aber es würde ihn noch niemand vermissen. Mein Vater und meine kleinen Brüder kämen erst zum Abend zurück und Justin hatte schwerlich jemandem im Herrenhaus erzählt, wohin er ging. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er, während er pikante Hammelnierchen frühstückte oder was auch immer die Oberschicht an diesem Morgen Ekelhaftes gegessen hatte, sagte: „Ich geh dann mal zum Cottage der Bauern, um mir Molly Murphy zu Willen zu machen.“
Also blieben mir noch ein paar Stunden, um zu entkommen. Dieser Zug würde mich bis nach Belfast bringen. Und ich hatte wahrscheinlich gerade so genug Geld für ein Schiff nach England. Was danach käme, konnte ich nicht sagen. Vielleicht wäre ich in der Lage, in einer großen Stadt wie Liverpool unterzutauchen. Vielleicht nicht. Höchstwahrscheinlich würde mich die Polizei bald einholen. Es dürfte nicht allzu schwerfallen, eine junge, irische Frau auf der Flucht zu bemerken, besonders eine mit flammend rotem Haar wie meinem. Da ich niemanden in England kannte, konnte ich mich nirgendwo verstecken. Also war es nur eine Frage der Zeit, aber ich würde fliehen, solange ich konnte. Ich war nie dafür bekannt gewesen, ohne einen ordentlichen Kampf aufzugeben.
Ich starrte aus dem Fenster des Waggons. Es war ein malerischer Tag, ein Himmel wie blaues Glas, strahlend klar, mit einem Hauch von Frost in der Luft – die Art Tag, die in unseren irischen Wintern nicht oft vorkommt. Die Art Tag, die mich durch meine häuslichen Pflichten hätte eilen, den Eintopf auf den Herd stellen und aufbrechen lassen, um oben auf den Klippen spazieren zu gehen, mit dem Wind im Rücken und dem Ozean zu meinen Füßen. Die Art Tag, an dem der Adel aus wäre, um mit den Hunden zu jagen. Ein Bild von Justin in seinem roten Mantel schoss mir durch den Kopf. Ich hatte ihn in seinem roten Mantel immer sehr attraktiv gefunden. Ich schätze, ich war ein bisschen in ihn verliebt gewesen, als ich jünger war. Gott weiß, ich hatte nie vor, ihn zu töten. Ich konnte beinahe spüren, wie sich der Blick des Priesters in meinen Hinterkopf bohrte, während ich aus dem Fenster sah.
Grüne Felder, auf denen wie hingetupft Pferde standen, rauschten vorbei. Sie schauten alarmiert auf, als sich das feuerspuckende Monster näherte, schwangen die Hufe und rannten davon. Wie schön sie aussahen. Wenn ich so schnell laufen könnte, wäre ich nicht so leicht zu fassen.
Wenn man mich fassen würde, bedeutete das die Schlinge um meinen Hals – darüber bestand kein Zweifel. Meine Hand legte sich mir instinktiv an den Hal