Kapitel 1
Ein gellender Schrei riss Markus Penning aus dem Schlaf. Er saß aufrecht, den Körper auf die Handflächen gestützt, und schnaufte wie nach einem Marathon. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er es gewesen war, der den Schrei ausgestoßen hatte.
Es war wieder einmalder Traum gewesen. Mit leichten Abweichungen zwar, doch im Grunde derselbe. Ein finsterer Ort – mal der Grubinger Forst, mal der Busbahnhof, mal sein Wohnzimmer – schlurfende Schritte hinter ihm, der Gestank nach verwesendem Fleisch, die Stimme seiner Frau, die seinen Namen sagte. Und obwohl sie es war, klang sie fremd. Verzerrt, zu schrill und unmenschlich. Wie jedes Mal drehte er den Kopf, zögernd, denn ein Teil von ihm wollte nicht hinsehen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Noch im selben Moment schrie Markus. Er schrie mit der Inbrunst eines Wahnsinnigen. Dann wachte er auf. Schweißgebadet, mit rasendem Herzen und umnebeltem Verstand.
Erst jetzt, als sich der Dunst lichtete, erinnerte Markus sich daran, dass er wieder einmal geträumt hatte. Er ließ den Kopf hängen.
Etwas Warmes und Feuchtes berührte seine Finger, und kurz blitzte die Hand vor ihm auf, die sich im Traum auf seine Schulter gelegt hatte. Ein graues, aufgedunsenes Ding, bei dem ein Nagel fehlte, der Ehering funkelte im Mondlicht. Markus sog zischend Luft ein und zog die Hand zurück.
Ein protestierendes Grunzen vertrieb den Nebel endgültig.
»Oh, entschuldige, Max!«
Der Hund hob den Kopf und wedelte mit dem Schwanz. Sein Hecheln sah aus, als lächelte er.
Markus grinste zurück. »Ja, wer ist mein guter Junge? Wer ist mein guter Junge?«
Max rollte sich herum, sodass Markus ihm den Bauch kraulen konnte. Er rubbelte ihn mit beiden Händen, und Max zuckte vergnügt mit seiner Hinterpfote. Lachend schlug Markus die Bettdecke zurück und schwang die Beine über die Kante. Seine Fußsohlen berührten den kalten Boden, und er erschauderte. Gähnend rieb er sich die Lider, dann sah er Sleima, der ihn vom Bücherregal heraus anstarrte. Seine grünen Augen leuchteten vorwurfsvoll, und er schwang aggressiv den Schwanz von einer Seite zur anderen.
»Oh, verzeihen Sie, Eure Lordschaft«, sagte Markus hinter vorgehaltener Hand, weil er erneut gähnen musste. Er ließ den Blick zum Wecker schweifen. Acht Uhr morgens. Eine halbe Stunde zu spät für die reguläre Raubtierfütterung. »Du hättest mich ja wecken können, Rabauke.«
Sicher hatte Sleima es versucht. Der Kater war erbarmungslos, wenn es darum ging, seinen Dosenöffner zum Dosenöffnen zu bewegen. Vermutlich hatte der Traum Markus zu fest im Griff gehabt.
Sleima maunzte, als hätte er eine Woche lang nichts zu essen bekommen.
»Jaja«, sagte Markus. Er streckte sich, stand auf, bog den Rücken durch und schlurfte zu seinen Pantoffeln, um hineinzuschlüpfen.
Hinter seinen Schläfen verriet ihm das schmerzhafte Pochen, dass er es gestern Abend mal wieder übertrieben hatte. Er erinnerte sich nicht, wann er ins Bett gegangen war, nur, dass er mehrfach auf dem Sofa eingeschlafen war.
Nebenan fauchte Sleima, Max bellte, was als Entschuldigung interpretiert werden könnte. Markus grinste und sein Herz füllte sich mit Zuneigung. Immer, wenn er glaubte, es sei nicht länger zu Liebe fähig, sondern habe sich in einen kalten, toten Stein verwandelt, kamen diese beiden Vierbeiner daher. Markus wusste nicht, wo er ohne Max und Sleima wäre.
Wahrscheinlich im Grab neben meiner toten Frau, antwortete eine Stimme in ihm, die sich kaum wie seine eigene anhörte. Sie klang ein wenig kratziger und bissig.
Markus hielt am Fenster inne. Er stützte sich am Fensterbrett ab und beobachtete seine zittrigen Finger.
Ich brauche einen Drink, sagte dieselbe Stimme.
Es ist besser, aufzuhören, so