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»Danke«, sagte Martyn zu dem Wärter, der nickend den Raum verließ.
Die Kleidung des anderen Mannes war verschlissen und unbequem. Vermutlich kratzte der gestärkte Stoff auf der Haut. Eine weite Hose, deren ehemaliges Dunkelblau verwaschen und fleckig wirkte und ein zu großes, gestreiftes Shirt, das an ein Seemannshemd erinnerte. Doch trug Christoph wie alle Insassen die einheitliche Gefängniskleidung, individualisiert lediglich durch den Aufnäher auf der linken Brusttasche.
Verächtlich kratzend rückte Christoph ihm gegenüber den Stuhl zurück und ließ sich schwerfällig nieder. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.
Schon seit Tagen ächzten alle in der Hauptstadt unter der nicht enden wollenden Hitzewelle.
Martyn schaute nach oben. Weit über ihren Köpfen erhellte ein großes Fenster den Raum, der kleiner war als seine Gästetoilette. Es war gekippt, doch erreichte ihn von dort keine Erfrischung.
Die beiden Männer saßen an dem schmalen Tisch, den zahlreiche Gravierungen mit obszönen Worten und Gesten zierten. Eine anstößige Zeichnung, scheinbar mit einem schwarzen Edding gemalt, zeigte einen übergroßen Phallus. Martyn legte die Akte darauf, um das grässliche Bild nicht vor Augen zu haben. Ähnliche Verzierungen prangten an den weißgetünchten Wänden. Selbst der kleine silberne Knopf neben ihm, über welchen er den Wärter rufen würde, war verschmutzt und angekohlt.
»Was ist passiert?«, fragte ihn sein Gegenüber.
»Wie geht es dir?«, begann Martyn und verschob die Beantwortung der Frage.
Christoph zuckte die Schultern. »Wie immer.« Doch dann legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. »Aber ich freue mich über deinen Besuch, auch wenn ich weiß, dass etwas passiert sein muss.«
»Ich habe dein Verwahrkonto ein wenig aufgestockt«, erklärte Martyn. Er würde früh genug auf den wahren Grund seines Besuchs zu sprechen kommen. Ihm war das bisschen Smalltalk wichtig.
Es funktionierte.
»Wirklich?«
Martyn nickte.
»Das ist … sehr nett. Danke dafür. Dann gibt es mal wieder was zu rauchen am Wochenende. Wie viel?«
»Fünfzig.«
Ein Strahlen erhellte das sonst eher graue, düstere Gesicht. »Vielen Dank, Martyn.«
»Nicht dafür. Ich werde versuchen, beim nächsten Mal etwas mehr mitzubringen.« Sein Gehalt gestattete es ihm nicht, den großen Samariter zu mimen, doch ein wenig Anreiz konnte nicht schaden.
»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme schon klar. Das Einzige, was mich seit einigen Tagen umtreibt, ist Hooks Entlassung. Er fehlt mir.«
»Ach, Hook ist entlassen worden? Schon?«
»Ja, er hat mehr als neun Jahre gesessen. Vier davon im Maßregelvollzug.«
»Das wusste ich gar nicht… Und glaubst du, er kommt zurecht? Draußen meine ich?«
Christoph wiegte den Kopf hin und her. Scheinbar hatte er Zweifel.
Berechtigte Zweifel würde Martyn sagen, ohne dass er Hook je persönlich kennengelernt hatte. Aber seiner Erfahrung nach würde jeder noch so Hartgesottene nach neun Jahren Haft Schwierigkeiten haben, in der Gesellschaft zurechtzukommen. Den meisten gelang es nicht, und sie saßen kurze Zeit später wieder ein. Den Makel eines Straftäters und in Hooks Fal