: Sheila O?Flanagan
: Ein unvollkommener Ehemann Roman
: Insel Verlag
: 9783458773474
: 1
: CHF 13.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Roxy und Dave sind seit zwanzig Jahren ein glückliches Paar, zwei fröhliche Kinder scheinen das Familienleben perfekt zu machen. Als Roxys Vater stirbt, eilt sie zu ihrer Mutter, um ihr in der schweren Zeit beizustehen. Aber als sie am Tag nach der Beerdigung nach Hause kommt, erwischt sie ihren Ehemann in flagranti mit der Nachbarin. Mit einem Schlag steht alles in Frage, was Roxy bislang für die Grundfesten ihres Lebens hielt.

Jetzt muss sie Entscheidungen treffen, die ihr Leben komplett verändern werden: Soll sie Dave verzeihen und ihrer Ehe noch eine Chance geben? Oder allein einen Neuanfang wagen? Schließlich hat sie sich lange genug nur um die Anderen gekümmert. Und der neue Job als Chauffeurin macht nicht nur Spaß, sondern führt auch zu reizvollen Begegnungen ...

<p>Sheila O'Flanagan<strong></ trong>arbeitete viele Jahre sehr erfolgreich als Börsenmaklerin in Dublin, bevor sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Mittlerweile hat sie zahlreiche Romane veröffentlicht und ist in England und Irland eine gefeierte Bestsellerautorin. Nebenbei schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der<em>Irish Times</em>.</p>

1. Kapitel


Als ich am Morgen nach der Beerdigung meines Vaters heimkam, fand ich meinen Mann mit der Nachbarin im Bett vor.

Als ich sah, wie Julie Halpin auf Dave auf und ab hüpfte wie ein nacktes Cowgirl beim Rodeo, hätte ich das Ganze am liebsten ignoriert. Ich wollte mich auf Zehenspitzen aus dem Haus schleichen und so tun, als wäre ich gar nicht da gewesen. Eine beschämend schwache Reaktion für eine Frau, die sich für stark, unverwüstlich und krisenkompetent hält. Aber in diesem Augenblick fühlte ich mich kein bisschen stark und unverwüstlich. Zudem waren meine Beine so zittrig, dass sie mich ohnehin nicht aus dem Haus getragen hätten.

Hinter mir lagen schwere Zeiten. Es war mir gelungen, mich während Dads monatelanger Krankheit zusammenzureißen, als Mum sich hartnäckig weigerte, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen, und mein Bruder zu aufgewühlt war, um eine Hilfe zu sein. Ich hatte Krankenhausbesuche koordiniert, mit dem Pflegepersonal gesprochen, dafür gesorgt, dass Dad nie lange allein war, und sogar sein Geschäft am Laufen gehalten. Stark und unverwüstlich, keine Frage. Sagten sowohl Mum als auch Aidan. Selbst Dad, schwach, wie er war, hatte meinen Arm gedrückt und mir für alles gedankt.

Für mich selbst war das eher normal, denn wenn es hart auf hart kommt, bin ich immer diejenige, die eine Lösung findet. Und ja, ich bin stolz auf meine Fähigkeit, Schwierigkeiten zu bewältigen.

Aber ich wusste nicht, wie ich mit dem Anblick von Dave und Julie in flagranti umgehen sollte. Weiß ich immer noch nicht.

Wenn ich diese Situation je im Geiste durchgespielt hätte, wozu es keinen Grund gab, denn ich lebte im Glauben, Dave wäre der Mann meines Lebens, der Mann, mit dem ich alt werden würde, hätte ich mich als Herrin der Lage gesehen, die Julies üppigen Hintern von meinem Mann herunter- und sie die Treppe hinunterzerrte – vielleicht gar an ihren Rauschgoldengellocken – und aus meinem Haus warf. Als Herrin der Lage hätte ich ihn ebenfalls aus dem Haus geworfen. Das wäre zwar hart geworden, aber ich hätte mich auf mein Leben nach Dave konzentrieren können.

Doch es ist anders gekommen. Ich bin innerlich wie erstarrt und völlig ratlos, was ich tun soll.

Ich habe Dave nämlich völlig vertraut. Wir waren Partner. Ein Team. Wir waren lange Zeit ein Team. Dave und Roxy. Mica und Tom. Er war der Manager. Ich der Coach. Doch dann holte er eine Auswechselspielerin aufs Feld und parkte mich auf der Ersatzbank. In dem Moment konnte ich es nicht glauben und wünsche mir immer noch, es wäre ein Irrtum. Aber es ist keiner. Ich muss das Geschehene akzeptieren, so weh es auch tut.

Das Gefühl, das mich überwältigte, als ich zusah, wie Julies chemisch aufgehellte Locken ihr um die Schultern wippten, und dabei das Quietschen der Bettfedern hörte, ist geblieben. Es heißt Bedauern. Bedauern, dass ich früh aufstand und heimfuhr mit nichts als einem leichten Mantel über meinem Seidenshorty, weil ich Dave überraschen wollte, ehe er zur Arbeit fuhr. Bedauern, dass ich nicht blieb, wo ich war, in meinem alten Jugendbett im Haus meiner Mutter, in wohliger Gewissheit, dass mein Mann ebenfalls allein im Bett lag und mich ebenso vermisste wie ich ihn. Wäre ich geblieben, befände ich mich weiterhin in seliger Unwissenheit und müsste jetzt nicht mein gesamtes Leben auf den Prüfstand stellen. Ich müsste die Trauer um den Tod meines Vaters bewältigen, mich um Mum kümmern und würde ansonsten mein altes Leben führen.

Doch jetzt ist alles anders.

An jenem Morgen war ich heimgefahren, weil ich mich nach all den stressigen Wochen, die hinter uns lagen, nach Normalität sehnte. Mir drehte sich noch immer der Kopf. Keine Sekunde lang bereue ich, dass ich so viel Zeit mit Dad und Mum verbracht habe. Natürlich nicht. Für meine Familie würde ich alles tun. Doch an diesem Morgen wollte ich einfach in meinem eigenen Bett liegen und ausnahmsweise einmal selbst umsorgt werden.

Natürlich ist das Blödsinn. Nicht zu ahnen, dass Dave mich betrog, wäre im Endeffekt sicher viel schlimmer gewesen. In den beiden Monaten, die seitdem vergangen sind, habe ich jede Menge Artikel über Menschen gelesen, die ihre Partner betrügen. Manche sind der Meinung, man wäre besser dran, wenn man es nicht wüsste. Aber ich glaube, dass man früher oder später unweigerlich dahinterkommt. Und dann fühlt man sich doppelt beschissen.

Wäre ich an diesem Morgen nicht um sechs Uhr heimgefahren, müsste ich mich nicht mit Dingen beschäftigen, die ich lieber ignorieren würde. Ich hätte in der irrigen Meinung dahingelebt, meine Ehe wäre in Stein gemeißelt und ich nicht gezwungen, Entscheidungen zu treffen, für die ich noch nicht bereit bin. Entscheidungen, bei denen es nicht nur um mich, sondern auch um Mica und Tom geht. Ich wäre immer noch die betrogene Ehefrau, aber nicht derart in meinen Grundfesten erschüttert wie jetzt.

Und ich würde mir keine Vorwürfe machen, meine gesamte Kraft in das Drama bei meinen Eltern gesteckt zu haben, so dass für die Krise im eigenen Haus keine Reserven mehr vorhanden sind.

Zum damaligen Zeitpunkt schien es eine gute Idee, einige Tage zu meiner Mutter zu ziehen. Sie brauchte Menschen um sich, und die Kinder waren eine willkommene Ablenkung. Auch Dave fand den Schritt richtig. Nur war mir nicht klar, dass ich damit zwar eine Front absicherte, eine andere jedoch entblößte.

Entblößt wie Julies runder und – so ungern ich es zugebe – ziemlich knackiger Arsch.

All das schoss mir beim Anblick der beiden durch den Kopf. Ich versuchte, ein Keuchen zu unterdrücken, vergeblich. Weshalb es für keinen von uns ein Entrinnen gab; Daves entsetzter Blick begegnete über Julies Lockenkopf hinweg meinem. Die Dinge hatten sich für immer verändert und wir uns mit ihnen. Und wir beide mussten damit zurechtkommen.

Alle haben eine Meinung, wie ich mit dieser Katastrophe umgehen soll. Meine Mum. Meine besten Freundinnen Debs, Alison und Michelle. Sogar die Frauen in meiner »Schlank siegt«-WhatsApp-Gruppe. (Seit dem Vorfall bin ich bei keinem Treffen gewesen, aber sie schicken mir aufmunternde Nachrichten.) In der Beechgrove-Siedlung machen Neuigkeiten schnell die Runde, vor allem weil Becca Brophy von gegenüber, die größte der Menschheit bekannte Klatschbase, Julie aus unserem Haus rennen sah, die Unterhose in der Hand. Garantiert waren alle von ihr perSMS, WhatsApp oder einen anderen Messengerdienst informiert, noch ehe Julie ihre eigene Haustür erreicht hatte. Seitdem bekomme ich mehr Ratschläge, als ich je umsetzen könnte. Dennoch ist meine Sichtweise die Einzige, die zählt. Wenn ich bloß wüsste, welche Sichtweise ich habe. Wenn ich bloß wüsste, wie mit meinen Gefühlen umgehen.

Als ich »untreue Ehemänner« googelte, bekam ich über 32 Millionen Ergebnisse, aber ungeachtet aller Ratschläge gibt es nur zwei Möglichkeiten: vergeben und vergessen oder Schluss machen.

Der letzte Artikel, den ich mir zu Gemüte führte (momentan lese ich wie eine Verrückte), suggerierte, wenn jemand fremdgehe, habe dies nichts mit einem selbst zu tun, sondern der andere sei mit sich nicht glücklich. Ich glaube nicht, dass Dave mit sich nicht glücklich ist. Im Gegenteil, als ich ihn mit Julie entdeckte, wirkte er für meinen Geschmack höchst selbstzufrieden. Nein – er sah eine Gelegenheit und ergriff sie. Und hat mir das Herz gebrochen.

In den letzten Wochen schlafe ich mit dem Bild meines Mannes ein, auf dem meine Nachbarin herumhoppelt, und wache damit am Morgen auf. Ein Bild, das sich durch nichts verbannen lässt. Ich habe Meditationsmusik laufen lassen, um mich in den Schlaf zu wiegen. Ich habe mich an meinen Wohlfühlort zurückgezogen, doch das ist schwierig, denn das Schlafzimmer in Beechgrove Park hat seinen Wohlfühlstatus komplett eingebüßt. Manchmal, wenn ich in meinem alten Jugendzimmer liege, wandern meine Gedanken zu allen anderen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, und für fünf bis zehn herrliche Minuten vergesse ich die abgrundtiefe Demütigung, doch irgendwann bricht sich höhnisch die Erinnerung an Dave und Julie Bahn, wie sie in unserem Ehebett herumtollen, und erinnert mich daran, wie schnell ein geliebter Mensch einen zum Weinen bringen kann.

Ich liebe Dave McMenamin, seit ich sechzehn bin. Wir wohnten in derselben Siedlung ...