: Jobst Schlennstedt
: Mord auf Westfälisch Kriminalroman
: Emons Verlag
: 9783960419143
: 1
: CHF 7.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Biel felds bester Ermittler in seinem persönlichsten Fall. Im Leben von Kriminalkommissar Jan Oldinghaus stehen Veränderungen ins Haus, buchstäblich. Ein neuer Teilhaber des elterlichen Hofs, der bekannte Wurstfabrikant und Multimillionär Hagen Piepenbrock, mischt die Familie mit seinen Plänen für das Gut auf. Dann erschüttern zwei kaltblütige Morde Ostwestfalen. Die Ermittlungen führen Jan und sein Team ausgerechnet zu Piepenbrocks Firma. Als auch noch ein Anschlag auf dessen Villa in Bad Oeynhausen verübt wird und der sogenannte Wurstbaron spurlos verschwindet, eskaliert die Lage...

Jobst Schlennstedt wurde 1976 in Herford geboren. 21 Jahre blieb er der Stadt treu, ehe er sein Geografiestudium an der Universität Bayreuth begann. Seit Anfang 2004 lebt er in Lübeck. Im Emons Verlag veröffentlicht er Küsten- und Westfalen-Krimis sowie Titel aus der 111-Orte-Reihe. www.jobst-schlennstedt.de

Limetten


Der Mann mit den schlohweißen Haaren sah ihn in einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis an. Sie kannten sich. Nicht persönlich, aber von einigen kurzen Begegnungen beim Abendmarkt auf dem Klosterplatz. Meistens war er zu spät gewesen, so wie heute. Dann räumte der Mann schon längst seine Wurstspezialitäten wieder zusammen. Genau wie die anderen Händler, die nun Feierabend hatten.

Feierabend hatte auch er. Aber mit dem Unterschied, dass sein Arbeitstag vor mehr als dreizehn Stunden begonnen hatte. Und trotzdem hatte er das Gefühl, der Berg an Arbeit, der sich vor ihm stapelte, werde immer größer statt kleiner.

Sein Vater hatte immer gesagt, dass sich im Alter zwischen dreißig und vierzig entscheide, wohin die Karriere führe. Es handele sich um die wichtigsten Jahre in einem Berufsleben, in denen er den richtigen Weg einschlagen könne oder aber als belangloses Rädchen im Uhrwerk eines Unternehmens untergehen werde.

Jetzt war er vierunddreißig, fühlte sich an den meisten Abenden allerdings mindestens fünf Jahre älter. Hatte er die Gabelung zum Erfolg bereits verpasst, oder befand er sich noch immer auf dem richtigen Weg? Er hatte in den vergangenen Jahren wichtige Aufgaben erfüllt und für die größten Kunden der Firma gearbeitet. Aber zu welchem Preis? Um mehr als siebzig Stunden in der Woche zu buckeln. Und seit mehr als zwei Jahren auf eine Gehaltserhöhung zu warten. Die versprochene Beförderung stand auch noch immer aus.

Er hatte Dinge getan, die ihm schlaflose Nächte bereiteten. Anders als bei einigen seiner Kollegen und Kolleginnen riet ihm sein Gewissen bisweilen, dass die Firma es mit den zum Teil zweifelhaften Machenschaften nicht übertreiben sollte. Aber hatte er als Einzelner überhaupt eine Chance? Sich dagegen zu wehren, was seine Chefs verlangten, würde wahrscheinlich einem Rausschmiss gleichkommen. Er war nun mal momentan nicht mehr als dieses kleine Rädchen im großen Getriebe und würde in dieser Position nicht dafür sorgen können, dass das Unternehmen eine andere Richtung einschlug.

Jedenfalls war er froh, dass über die Sache, an der er beteiligt gewesen war, inzwischen etwas Gras gewachsen war. Je mehr Zeit verging, desto besser gelang es ihm, die Gedanken daran beiseitezuschieben. Aber die Angst, dass die Sache noch einmal hochkochte und ihm schaden würde, ließ ihn nicht los.

Der Mann am Stand mit der geräucherten Wurst hatte ihn bestimmt schon lange durchschaut und warf ihm genau deshalb jetzt diesen mitleidigen Blick zu. Weil er wusste, dass er nicht glücklich mit dem war, was er tat. Dass er viel zu viel Zeit im Büro verbrachte, anstatt rechtzeitig Feierabend zu machen und das Leben zu genießen. Zum Beispiel, um sich stärker auf das einzulassen, was er in den letzten Wochen mit Alina erlebt hatte. Etwas, von dem er sich definitiv mehr vorstellen konnte, und aktuell der einzige Lichtblick in seinem Leben.

Manchmal wurde er in einem paranoiden Anfall das Gefühl nicht los, dass dieser Mann am Wurststand sogar etwas von den Dingen ahnte, die er getan hatte. Die er am liebsten verdrängen und für immer vergessen würde. Aber das war natürlich ausgeschlossen.

Er ging weiter über den Platz und vermied es, sich noch einmal nach dem Mann umzusehen. Er schämte sich r