Klaus Sonnig, Minkas Vater, hielt wenig später am Straßenrand, und die beiden Mädchen stiegen in seinen Jeep ein.»Wir sind spät dran«, kommentierte er und Minka, die neben ihm auf dem Beifahrersitz saß, drehte sich zu ihren beiden Freundinnen um und sagte zu Kaya:»Wenn Chris den Vorsitz macht, könntest du doch Protokollführerin werden.«»Ich? Protokoll?« Kaya schüttelte entschieden den Kopf.»In Deutsch bin ich eine glatte Null. Ich würde immer was völlig anderes protokollieren, als das, was besprochen wurde. Kein Mensch würde das kapieren.«
»Um was geht es dennüberhaupt genau?«, wollte Reni wissen und Klaus Sonnig erklärte, dass die Jugendarbeit im Reiterring gefördert werden sollte. Dafür würde heute Abend eine eigene Abteilung gegründet, damit die Jugendlichen ihre Dinge selbst planen, bestimmen und so durchführen könnten, wie sie es wollten.
»Hört sich ganz gut an«, sagte Kaya.
»Ja, und was soll da geplant werden?«, fragte Reni weiter.
»Das müsst ihr euch ja gerade selbstüberlegen«, erklärte Minkas Vater.»Zeltlager zum Beispiel, Trainingscamp, Veranstaltungen, Fangruppen, Partys - was weiß ich.«
»Party finde ich schon mal gut«, erklärte Reni inbrünstig.
Und ich Zeltlager, dachte Kaya. Am liebsten ganz allein mit Chris. Undüberhaupt, vielleicht sollte ich da doch irgendwie mitmachen. Wenn Chris Vorsitzender ist, dann habe ich immer einen Grund, mit ihm zusammen zu sein, und das auch noch ganz offiziell.
»Und was kann man noch werden, außer Protokollführerin?«, wollte sie von Minkas Vater wissen.
»Vielleicht Schatzmeister?« Klaus Sonnig zuckte die Schultern.»Keine Ahnung. Das werdet ihr gleich sehen.«
Sie waren schon gut 30 Minuten unterwegs, was Kaya unruhig werden ließ. War doch weiter, als sie gedacht hatte. Ihre Eltern wusstenüberhaupt nicht, wo sie steckte. Sollte sie die nicht wenigstens informieren? Aber musste man sich in ihrem Alter noch abmelden, bloß wenn man mal woanders war? Doch dann kam schon dasAlte Gut in Sicht, in dem die Jugendgruppe gegründet werden sollte, und Kaya vergaß ihr schlechtes Gewissen sofort. Auf dem Parkplatz gab es kaum noch freie Plätze und auch die Tische im rustikalen Gastraum waren fast alle besetzt.
Sonnig blieb kurz in der Türe stehen, schaute sich um und sah dann eine erhobene Hand.»Dort!«, sagte er zu Minka und bahnte sich zwischen den Leuten hindurch den Weg nach vorn. Kaya und Reni folgten ihm und als sie an dem Tisch standen, war Kaya erst einmal sprachlos. Claudia und einige andere Erwachsene aus ihrem Stall saßen da, aber auch ihre Freundinnen Cindy und Fritzi. Alle waren hier und nur sie hatte von nichts gewusst. Das beklemmende Gefühl, irgendwie ausgeschlossen zu sein, stieg wieder voll in ihr hoch. Es schnürte ihr die Kehle zu. Was sollte sie sagen?
»Setzt euch«, sagte Claudia,»ich habe die Plätze extra frei gehalten.«
Niemand schienüberrascht, dass sie auch dabei war, dachte Kaya und setzte sich neben Cindy. Zugleich beschloss sie, hier mit keinemüber ihre Gedanken zu reden. Claudia, die Stallbesitzerin und Reitlehrerin, zeigte auf den Tisch, wo in der Mitte ein paar kleine Flaschen Apfelsaftschorle und einige Gläser standen.»Ich habe schon mal etwas besorgt, damit wir nicht gleich wieder losrennen müssen– ist nämlich Selbstbedienung hier.«
Fritzi, die genau wie Kaya 14 war, hatte als einzige eine Flasche Cola vor sich stehen. War klar, dachte Kaya, zu Hause durfte sie keine haben und deshalb trank sie sich an dem Zeugs dumm und dämlich, sobald sie anderswo was davon kriegen konnte. Kaya nickte ihr zu und Fritzi grinste.»Ich hätte gewettet, dass du nicht kommst«, sagte sie zu Kaya.
»Ich?« Kaya stellte sich dumm.»Und warum nicht?«
»Weil du im Momentüberhaupt nie mitkriegst, wenn irgendwas läuft. Du hast ja nicht mal den Aushang gelesen, oder?«
Aha, der Aushang. Hatte sie nicht. Natürlich nicht. Das war so eine ihrer Schwächen, dass sie nie nachschaute, was in diesem Glaskasten neben der Hallentüre Neues stand.
Aber Reni schien ja offensichtlich auch nicht viel informierter gewesen zu sein, fiel ihr ein und gerade wollte sie schon etwas Entsprechendes dazu sagen, als Claudia abwinkte.»Na, ist ja egal«, entschärfte sie das Gespräch und zwinkerte Kaya zu.»Hauptsache, ihr seid jetzt alle da. Ist schließlich auch wichtig für euch. Und merkt euch, jetzt nicht nur hier rumsitzen, zuhören und Cola trinken– sondern später auch was tun. Schließlich geht es um euch, um euch Jugendliche!«
Oh je, dachte Kaya, das hört sich irgendwie nach Arbeit an. Aber sie hatte den Gedanken sofort wieder vergessen, denn in dem Moment trat Chris an den langen Tisch direkt vor ihnen. Er blieb hinter seinem Stuhl stehen und am liebsten hätte Kaya ihm gewunken, denn sie befürchtete, dass er sie in der Mengeübersehen könnte. Langsam wurde es ruhig, das Stühlerücken, Gläserklirren und Geraune wurde leiser und auch das letzte Getuschel erstarb schließlich ganz. Alle blickten vor zu Chris und das allgemeine Interesse an ihm erfüllte Kaya mit Stolz. In seinen Jeans und seinem blau-weiß gestreiften Hemd sah er trotz seiner erst 16 Jahre unglaublich erwachsen aus. Kaya fand, dass er sich in letzter Zeit sowieso sehr verändert hatte. Er war größer geworden, hatte breitere Schultern gekriegt und seine Gesichtszüge waren markanter als früher. Dagegen strahlten seine blauen Augen fröhlich und vertraut wie immer und seine blonden Haare waren wie gewohnt perfekt gestylt.
»Schön, dass ihr alle hier seid«, begann er.»Ich darf Sie und euch herzlich zu