Tasso von Tyllmond saß in seinem Arbeitszimmer über Abrechnungen gebeugt und blickte irritiert auf, als Jorsch, der Diener, eintrat.
»Was gibt es, Jorsch? Ich habe doch ausdrücklich darum gebeten, daß ich nicht gestört werden möchte.«
Jorsch wand sich in offensichtlicher Verlegenheit.
»Entschuldigen Sie, Herr Graf, aber draußen in der Halle wartet eine junge Dame, die Sie zu sprechen wünscht. Sie sagt, sie käme auf Grund Ihrer Annonce.«
Ach ja, die Annonce, dachte Tasso zerstreut. Laut aber sagte er:
»Es ist gut, Jorsch, führen Sie die Dame herein.«
Gabriele zuckte zusammen, als der Diener sie ansprach.
»Der Herr Graf läßt bitten.«
»Danke«, murmelte sie verschüchtert angesichts der hochherrschaftlichen Umgebung und schritt auf die geöffnete hohe Tür zu.
Sie blinzelte einen kurzen Moment mit den Augen, da sie von der dunklen Halle in ein sehr helles geräumiges Zimmer trat, nämlich in das Arbeitszimmer des Grafen.
»Guten Tag«, flüsterte sie, und das Blut schoß ihr in die Wangen, als die imposante Männergestalt hinter dem Schreibtisch ihren Gruß nicht einmal erwiderte. Unhöflicher Patron, dachte Gabriele ärgerlich.
Tasso von Tyllmond musterte die Fremde von oben bis unten, dann fragte er knapp: »Sie kommen wegen meiner Annonce, Fräulein…?«
»Dannert ist mein Name, Gabriele Dannert.«
»Also, Fräulein Dannert, Sie wollen sich um die ausgeschriebene Stelle bewerben?«
»Ja.« Knapp kam die Antwort über ihre Lippen.
»Haben Sie schon einmal eine Stelle als Erzieherin bekleidet?« wollte Tasso wissen.
Gabriele hatte diese Frage befürchtet. Sie wurde verlegen und bereute es schon, auf ihre Freundin Petra Orloff gehört zu haben.
»Nein, aber hier sind meine Papiere. Ich habe mein Abschlußexamen.« Hastig streckte sie ihm den großen Umschlag entgegen. Aber Tasso winkte spöttisch lächelnd ab.
»Mein liebes Fräulein Dannert, Papier ist geduldig. In der Praxis sieht das alles ganz anders aus als in der Theorie. Für mich kommt nur jemand in Frage, der mit Kindern umgehen kann. Ob Sie ein Examen haben oder nicht, interessiert mich nicht im geringsten.«
Gabriele fühlte sich für einen Moment aus dem Konzept gebracht. Was bildete sich dieser Mensch überhaupt ein? Woher nahm er das Recht, sie so unhöflich zu behandeln? Noch nicht einmal einen Stuhl hatte er ihr angeboten! Der kannte ja anscheinend noch nicht einmal die einfachsten Anstandsregeln! Und so aus ihrer inneren Empörung heraus antwortete sie trotzig.
»Ich kann sehr gut mit Kindern umgehen, Herr Graf, falls Sie diesbezüglich Bedenken haben sollten!«
Skeptisch blickte Tasso von Tyllmond auf das vor ihm stehende Mädchen. Wie kann sie sich nur so unmöglich kämmen, schoß es ihm durch den Kopf, scheint gar keinen Sinn für Schönheit zu haben, dieses Fräulein Dannert.
»Ich stelle Sie einen Monat auf Probe ein, Fräulein Dannert«, erwiderte er geschäftsmäßg und ohne jede Freundlichkeit. »Wenn Sie mit meinem Sohn Ulli zurechtkommen, können wir immer noch über eine feste Anstellung sprechen. Daß ich Sie entsprechen