Eva Levander-Olofsson war sich gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sich die Grenzen in ihrem Innern verschoben hatten, bis sie eines Abends spät im August von einem der asphaltierten Fußwege in das Wäldchen hinter seinem Haus abbog.
Es brannte Licht, im vierten Reihenhaus.
Im Schutze eines Felsblocks blieb sie stehen. Noch waren die frisch gepflanzten Bäume dicht belaubt, sodass sie sie vollständig verbargen. Der Abend war rasch hereingebrochen, wie so oft im Spätsommer, doch die Wärme hielt sich noch. Sie sah rosa Löwenmäulchen und Stockrosen in den Beeten, die letzten Blüten, ehe der Herbst hereinbrach.
Im Haus war keine Menschenseele zu sehen, doch in einem der Schlafzimmer im oberen Stockwerk brannte Licht, es war das einzige Zimmer, in dem schon Vorhänge angebracht waren. Von der Küche her huschte ein Schatten an der Wohnzimmerwand entlang. Sie waren also zu Hause. Von Bauzeichnungen wusste Eva, wie die Zimmer angeordnet waren. Diese Reihenhäuser gehörten zu den exklusivsten, die in der Gegend errichtet worden waren, aus grauem Ziegel, leicht britischer Stil, mit gebrochenem Dach und großen Fenstern, die mehr preisgaben, als man im Grunde genommen wissen wollte.
Ein weißes Ecksofa sowie ein Tisch aus Marmor und Eiche, eine riesige Deckenlampe, die frei in dem beinahe sieben Meter hohen Raum zu schweben schien. Auf dem Fensterbrett standen weiße Orchideen, aufgestellt in etwas steifer Eleganz, seht her, hier wohnen wir! Ihr erschien das Ganze entweder sehr schick oder sehr gewollt, und ihr wurde ein wenig schwindlig, als sie begriff, dass sie tatsächlich hier stand und es betrachtete.
In den Nachbarhäusern sah sie ähnliche Pflanzen, als gäbe es eine Vereinbarung, ausgerechnet Orchideen ins Fenster zu stellen. Lichtflimmern, Farben und laute Musik strömten über die Wiese, im Nachbarhaus saß ein Junge vor dem Fernseher, in einem anderen trat eine junge Frau ans Fenster. Eva zog sich wieder hinter den Stein zurück. Ob man von drinnen sehen konnte, wer sich in dem Wäldchen verbarg? Eine Gestalt in Sportkleidung, die nicht hierhergehörte, ein Gesicht, ein Albtraum? Vermutlich sah die Frau nur ihr eigenes Spiegelbild in der Scheibe, zumindest schien sie nicht zu reagieren. Es war so hell dort drinnen, so verdammt weiß gestrichen, alles von Spots und Lämpchen erleuchtet, dass keiner merken würde, wenn die Welt draußen unterginge, dort, wo Eva zwischen Baumstämmen und uralten Felsblöcken stand, versteckt in einem Wäldchen aus jungen Pflanzentrieben.
Sie lehnte sich gegen den rauen Stein und roch Moos und Verwesung. Zu ihren Füßen lagen, halb im Boden versunken, Bierdosen und Plastikmüll. Von einer der Terrassen wehte Grillgeruch herüber, dort gab man sich noch immer sommerlichen Vergnügungen hin.
Geh nach Hause, sagte sie zu sich selbst, lass es hinter dir, verarbeite es, tu, was die anderen dir sagen, auch wenn du weißt, dass sie unrecht haben, dass niemand mit Sicherhe