: Jenny Pergelt
: Der Ehrgeiz einer Mutter Chefarzt Dr. Norden 1165 - Arztroman
: Martin Kelter Verlag
: 9783740964542
: Chefarzt Dr. Norden
: 1
: CHF 2.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Vor der Behnisch-Klinik hielt Nadja Dannehl kurz inne. Sie sah an dem Gebäude hoch, auf der Suche nach einem bestimmten Fenster in der dritten Etage. Das musste es sein. Ein schmales, unscheinbares Fenster, an dem sie oft gesessen hatte, um das geschäftige Treiben vor dem Haus zu beobachten, in der Hoffnung, für kurze Zeit ihren großen Kummer vergessen zu können. Dreißig Jahre war es her. Nadja musste schlucken. Eine halbe Ewigkeit. Unbewusst strich sie über die schmale, kaum sichtbare Narbe an ihrem linken Handgelenk. Nur leicht erhaben, etwas blasser als ihre Umgebung, wirkte sie unschuldig und bedeutungslos. Doch das war sie nie gewesen. Weder damals, nach dem Unfall, noch heute. Diese Narbe erinnerte sie in jeder Minute ihres Lebens daran, was das Schicksal ihr genommen hatte: Eine große Karriere als Violinistin. Sie war Anfang zwanzig, als sie sich bei einem harmlos anmutenden Sturz das Handgelenk brach - mit gravierenden Folgen: zersplitterte Knochen, beschädigte Bänder. Ihr Handgelenk hatte dadurch einen Teil seiner Beweglichkeit unwiederbringlich verloren und zudem eine schmerzhafte Arthrose entwickelt. Für eine Violinistin mit riesigen Ambitionen eine schreckliche Katastrophe. Dort oben, in diesem kleinen Krankenhauszimmer, hatte sie ihre großen Träume und Hoffnungen von einer ruhmreichen Karriere tränenreich begraben. Es hatte nie einen Plan B gegeben, sondern immer nur ihre Geige. Nie war ihr das Leben so trist und sinnlos erschienen wie an diesen Tagen. Horst war ihr in dieser schweren Zeit kaum von der Seite gewichen. Er musste geahnt, nein, gewusst haben, wie oft sie darüber nachdachte, dieses kleine Fenster da oben zu öffnen, um ihrer Qual für immer zu entfliehen.

Vor der Behnisch-Klinik hielt Nadja Dannehl kurz inne. Sie sah an dem Gebäude hoch, auf der Suche nach einem bestimmten Fenster in der dritten Etage. Das musste es sein. Ein schmales, unscheinbares Fenster, an dem sie oft gesessen hatte, um das geschäftige Treiben vor dem Haus zu beobachten, in der Hoffnung, für kurze Zeit ihren großen Kummer vergessen zu können. Dreißig Jahre war es her. Nadja musste schlucken. Eine halbe Ewigkeit.

Unbewusst strich sie über die schmale, kaum sichtbare Narbe an ihrem linken Handgelenk. Nur leicht erhaben, etwas blasser als ihre Umgebung, wirkte sie unschuldig und bedeutungslos. Doch das war sie nie gewesen. Weder damals, nach dem Unfall, noch heute. Diese Narbe erinnerte sie in jeder Minute ihres Lebens daran, was das Schicksal ihr genommen hatte: Eine große Karriere als Violinistin.

Sie war Anfang zwanzig, als sie sich bei einem harmlos anmutenden Sturz das Handgelenk brach – mit gravierenden Folgen: zersplitterte Knochen, beschädigte Bänder. Ihr Handgelenk hatte dadurch einen Teil seiner Beweglichkeit unwiederbringlich verloren und zudem eine schmerzhafte Arthrose entwickelt. Für eine Violinistin mit riesigen Ambitionen eine schreckliche Katastrophe.

Dort oben, in diesem kleinen Krankenhauszimmer, hatte sie ihre großen Träume und Hoffnungen von einer ruhmreichen Karriere tränenreich begraben. Es hatte nie einen Plan B gegeben, sondern immer nur ihre Geige. Nie war ihr das Leben so trist und sinnlos erschienen wie an diesen Tagen. Wenn Horst nicht gewesen wäre …

Horst war ihr in dieser schweren Zeit kaum von der Seite gewichen. Er musste geahnt, nein, gewusst haben, wie oft sie darüber nachdachte, dieses kleine Fenster da oben zu öffnen, um ihrer Qual für immer zu entfliehen.

Irgendwann wurde es dann leichter, das Unvermeidliche zu ertragen. Und irgendwann hatte sie sich in Horst verliebt und ihn geheiratet. Als dann Sophie, ihre kleine, süße Sophie zur Welt kam, war die Trauer um ihre zerstörten Träume ausgestanden. Sie hatte eine Tochter, um die sie sich kümmern konnte und die mit dem gleichen, großartigen Talent gesegnet war wie ihre Mutter. Ihr Leben bekam nun wieder einen Sinn. Schon als Sophie mit vier Jahren die ersten Streichübungen auf ihrer winzigen Kindergeige machte, hatte Nadja gewusst, dass es ihr Engelchen weit bringen würde. Auch Sophies Geigenlehrerin hatte früh davon gesprochen, dass das kleine wissbegierige Mädchen ein Ausnahmetalent sei. Das Beherrschen des Instruments hatte ihr nie Mühe bereitet. Wie von selbst fanden ihre zarten Finger stets den richtigen Ton auf den Saiten. Es dauerte nicht lange, bis Sophie die ersten Preise gewann und aus immer bedeutenderen Wettbewerben als Siegerin hervorging. Als dann die Erfolge bei internationalen Ausscheidungskämpfen dazukamen, flatterten bald Angebote von Agenturen ins Haus. Sophie war gerade mal siebzehn, als Nadja für sie den Vertrag bei einer New Yorker Agentur unterschrieb. Schon am nächsten Tag verließen sie gemeinsam München. Jetzt, nach zehn Jahren, gehörte Sophie zu den besten Violinistinnen der Welt. Sie hatte es weit gebracht. Viel weiter als ihre Mutter, der dieser dumme Sturz die Chance auf ein erfülltes Leben genommen hatte.

Nadja betrat die Behnisch-Klinik und ging durch die lichtdurchflutete Lobby. Ihrem Vorhaben, direkt zum Chefarzt der Klinik zu gehen, widerstand sie. Sie hatte noch eine Viertelstunde Zeit bis zu ihrem Termin. Nadja konnte es nicht leiden, wenn sich die Menschen nicht an verabredete Zeiten hielten. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie zu früh oder bereits zu spät dran waren. Für beides brachte sie kein Verständnis auf.

Zügig ging sie die kleine Ladenzeile am Ende der Lobby entlang. Für die Geschäfte mit ihren hübschen Auslagen hatte sie keinen Blick übrig. Auch nicht für die Cafeteria, die sie zu ihrer rechten Seite liegen ließ. Sie kannte nur ein Ziel: den wunderschönen Klinikpark, der von der früheren Besitzerin der Klinik, Jenny Behnisch, eigenhändig angelegt worden war.

Sie trat durch die zweiflügelige Terrassentür hinaus ins Grüne und atmete tief durch. Mit dem Duft der Frühlingsblumen und der Fliederbüsche strömten auch Erinnerungen in ihren Geist. Erinnerungen an eine Zeit, in der sie hier, inmitten der üppig wachsenden Natur, lernte, den Schmerz über das Ende ihrer Karriere zu überwinden.

Wie von selbst führten sie ihre Füße einen schmalen Weg aus behauenem Granit entlang, vorbei an riesigen Strauchpäonien bis zu einer kleinen, versteckt liegenden Holzbank. Hier hatte sie mit Horst in endlos langen Stunden zusam