: Micalea Smeltzer
: Die Rückkehr der Wildblumen
: MORE by Aufbau Digital
: 9783967974836
: Wildflower Duet
: 1
: CHF 8.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 423
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Wildblumen sind stark. Widerstandsfähig. Sie gedeihen unter den widrigsten Bedingungen und biegen sich im stärksten Sturm. Aber sie brechen nicht. Niemals.

E hat einige Zeit gedauert, bis ich erkennen konnte, dass es in manchen Momenten notwendig ist loszulassen. Egal, wie stark die Liebe ist.

Manchmal gibt es jemanden, für den man stark sein und weitermachen muss und der einen mehr braucht.

Ich habe eine Entscheidung getroffen. Eine folgenreiche Entscheidung.

Und trotzdem hoffe ich, dass eines Tages die Liebe zu mir zurückfindet.

Forts tzung der Wildflower Duet Reihe von Micalea Smeltzer. Wir empfehlen, die Bücher in der korrekten Reihenfolge zu lesen. 



Micalea Smeltzer lebt mit ihren beiden HUnden Ollie und Remy in Nord-Virginia. Wenn sie nicht gerade Bücher schreibt, liebt sie es sich selbst ein einem spannenden Buch zu vergraben.

Als Empfängerin einer Nierentransplantation setzt sie sich dafür ein, das Bewusstsein für die Auswirkungen von Nierenerkrankungen, Dialyse und Transplantation zu schärfen und die Menschen über Lebendspenden aufzuklären. 

Kapitel 2


Salem

Mein Zimmer ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Aus irgendeinem Grund habe ich damit gerechnet, dass Mom es umgestaltet hat, aber nein. Es ist sauber, da Georgia und ich eine Putzfrau bezahlen, die einmal pro Woche vorbeikommt. Nirgendwo ist ein Stäubchen zu sehen. Das Bett ist frisch gemacht, die Ränder der Decken liegen exakt aufeinander.

Da Mom schläft und in nächster Zeit nicht in der Lage sein wird, einen Film zu schauen, packe ich meine Kleidung und die Kosmetikartikel aus, und dann rufe ich Caleb an.

»Hey«, sagt er mit tiefer Stimme. »Bist du gut angekommen?«

»Ja, danke der Nachfrage.«

»Wie geht’s deiner Mom?«

Seufzend reibe ich mir die Stirn. »Sie schläft. Sie ist gebrechlicher, als ich gedacht hätte.«

»Das tut mir leid.« Ich höre die Aufrichtigkeit in seiner Stimme. Auch nach unserer Trennung ist Caleb einer der liebsten Menschen, die ich kenne.

»Jemand versucht gerade, mir das Telefon zu klauen«, sagt er und lacht leise.

Auch ich lache. »Gib sie mir ruhig.«

»Mommy!« Die Stimme meiner Tochter wirkt wie Balsam auf einer Wunde. Mit einem einzigen Wort schafft sie es, dass ich mich besser, geerdeter fühle.

»Hi, Schätzchen. Wie war dein Tag?«

»Gut. Daddy hat mich von der Schule abgeholt, und wir waren im Supermarkt. Ich habe einen Lolli bekommen.«

Im Hintergrund höre ich Caleb lachen. »Das sollte doch unser Geheimnis bleiben.«

»Ups!« Sie kichert.

Seda war die Überraschung, die Thayer mir hinterlassen hat. Sie ist das Geschenk, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich es wollte und brauchte. Dass ich ihre Mutter bin, gibt mir das Gefühl, eine Superheldin zu sein.

»Ich vermisse dich jetzt schon«, sage ich.

»Ich dich auch, Mommy. Gib Grandma ein Küsschen von mir … du sagst doch immer, Küsschen machen alles besser.«

O verdammt. Gleich muss ich weinen. Ich wünschte, Tränen könnten meine Mutter heilen, aber ich glaube, Krebs lässt sich auch mit magischen Küssen nicht bekämpfen.

»Mache ich«, versichere ich meiner Tochter. »Ich hab dich lieb.«

»Ich dich auch, Mommy!« Sie legt auf, und es wird still in der Leitung.

Als ich wieder unten bin, schläft Mom immer noch, darum beschließe ich, das Abendessen vorzubereiten. Georgia sagt zwar, dass Mom in letzter Zeit kaum noch isst, aber ich muss es wenigstens versuchen.

Beim Durchsuchen der Küchenschränke stoße ich auf eine Flasche Wein, vermutlich von Georgia dort gebunkert, bevor sie erneut schwanger wurde. Ich öffne die Flasche, gieße mir ein Glas ein und trinke es beim Kochen. Eigentlich trinke ich nur wenig Alkohol, aber heute kann ich ein bisschen Wein zur Beruhigung meiner Nerven gut gebrauchen.

»Salem?«, ruft Mom nach mir, und ich wende mich von dem brodelnden Topf ab.

»Ja?«, rufe ich zurück, überrascht, dass sie wach ist. Ich hatte damit gerechnet, sie wecken zu müssen.

»Kannst du mir ein bisschen Wasser bringen?«

Ich fülle eine Tasse, gebe einen Trinkhalm hinein, gehe zu ihr und halte ihr die Tasse vor den Mund. Sie trinkt gierig und mit dankbarem Blick. Ich stelle das Wasser ab und frage: »Brauchst du noch etwas? Ich mache gerade Abendessen.«

»Nein, Wasser reicht.« Sie tätschelt mir liebevoll die Hand. »Tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin, bevor wir einen Film schauen konnten.«

»Ist schon in Ordnung. Ich lasse beim Essen einfach einen laufen.«

Traurig sieht sie mir ins Gesicht, und ich frage mich, was sie denkt. »Bist du glücklich, Salem? Du siehst nicht so aus.«

»Ich bin so glücklich, wie ich im Augenblick eben sein kann.«

»Tja, das muss dann wohl reichen.«

Ich lächle sie traurig an und gehe aus dem Zimmer, um das Abendessen fertigzumachen.

Als die Spaghetti gar sind, bringe ich zwei Teller davon und etwas Knoblauchbrot ins Wohnzimmer. Ich richte die Lehne des Krankenbetts auf, stelle Mom ein Tablett auf den Schoß und sorge dafür, dass sie es bequem hat, bevor ich selbst zum Essen Platz nehme.

Der Film läuft, aber ich schaue kaum hin.

Ich lasse ihn weiterlaufen, während ich unser schmutziges Geschirr spüle. Mom hat die Spaghetti kaum angerührt, aber ich weiß, dass sie so viel gegessen hat, wie sie konnte.

Als ich ein paar Minuten später zurück ins Wohnzimmer komme, ist sie wieder eingeschlafen.

Es ist sowieso schon spät, darum schalte ich den Fernseher aus und decke Mom bis zum Kinn mit der Wolldecke zu. Ich sorge dafür, dass sie Wasser hat und dass ihr Handy in greifbarer Nähe ist, falls sie mich braucht.

»Ich liebe dich, Mom«, sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

Eine Träne stiehlt sich aus meinem Augenwinkel. Ich wische sie weg, steige leise die Treppe hinauf und dusche, ehe ich selbst zu Bett gehe. Es war ein langer Tag, und ich brauche meinen Schlaf.

Nach der Rückkehr von meinem morgendlichen Lauf betrete ich die Küche durch die Seitentür und lächle, als ich Mom am Tisch sitzen sehe. Heute Morgen hat ihre Haut ein bisschen mehr Farbe, ist eher rosig als grau, was hoffentlich bedeutet, dass sie gut geschlafen hat.

»Hey«, sage ich lächelnd und bringe meinen Pferdeschwanz in Ordnung. »Hast du Hunger?«

»Ich habe ein bisschen Müsli gegessen«, erklärt sie, während sie in einer Illustrierten blättert.

»Mom«, sage ich leise, »du weißt doch, dass du nicht einfach herumlaufen sollst, wenn niemand da ist, der dir helfen kann.«

Es besteht das Risiko, dass sie stürzt, und sie weiß es.

Aber in ihrer Situation wäre ich wahrscheinlich auch hin und wieder ein bisschen störrisch. Es ist bestimmt schwierig, damit klarzukommen, dass man einen anderen Menschen braucht, um grundlegende Dinge zu erledigen wie sich zu waschen oder zur Toilette zu gehen.

»Ich hatte meine Stoppersocken an.«

»Mom, du weißt doch, dass die nichts bringen«, ermahne ich sie.

Sie seufzt. »Heute Morgen ging es mir gut. Ich wollte mich einfach allein im Haus bewegen.«

»Na schön, aber sei vorsichtig«, lenke ich ein.

»Salem«, sagt sie leise. Ich stehe mit dem Rücken zu ihr, um mir einen Kaffeebecher zu nehmen, und drehe mich nun um. »Du weißt, dass ich sterben werde, oder?«

Ich senke den Kopf. Ja, ich weiß es. Georgia weiß es. Wir alle wissen es.

»Ja.«

»In der kurzen Zeit, die mir noch bleibt, möchte ich einfach ich selbst sein. In Ordnung?«

Ich nicke kaum merklich, versuche die Tränen zurückzuhalten, die aus mir herausbrechen wollen. Es ist schlimm, um jemanden zu trauern, der noch am Leben ist.

»Ich dachte«, fährt sie fort, »wir könnten heute mal ein paar Cupcakes zusammen backen. Weil es mir ja ganz gut geht.«

Meine Schultern werden starr. Nachdem ich zuletzt welche für Thayer gebacken hatte, habe ich nie wieder Cupcakes gemacht. Danach war es zu schmerzhaft, denn ich hätte jedes Mal an ihn denken müssen.

»Wir … äh … okay, können wir machen.«

Auf keinen Fall werde ich meiner sterbenden Mutter einen Wunsch abschlagen.

»Ich dachte, wir könnten Cookie Dough machen. Die mochtest du doch immer am liebsten. Es war auch die Lieblingssorte von Thayer nebenan. Früher habe ich ihm immer Cupcakes gebracht, weißt du. Bevor ich zu krank zum Backen war.«

Meine Schultern spannen sich noch stärker an.

»Äh … ja«, stammele ich. »Die mochte er sehr, ich erinnere mich.«

Sie mustert mich durchdringend, und ich halte ihrem Blick stand. »Er ist ein netter Mann. Was damals passiert ist, war einfach furchtbar. Sein armer Sohn. Ich glaube, an seiner Stelle hätte ich wegziehen müssen, aber er ist geblieben.«

»Mom, möchtest du vielleicht etwas trinken oder so?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.

»Eigentlich nicht.« Sie schlägt die Zeitschrift zu und schiebt sie über den Tisch von sich weg. »Er mäht mir den Rasen, weißt du?«

Noch immer spricht sie über Thayer. Ich will nichts mehr von ihm hören. Ich will es nicht wissen. Es ist zu schmerzhaft, aber das kann ich ihr nicht sagen. Mit dem Rücken zu ihr stehend, gebe ich etwas Sahne und Zucker in meinen Kaffee....