1. Kapitel
1. Dezember
Layla Martins Schuhe würden sie noch umbringen.
Sie hatte sie am Donnerstag gekauft, obwohl sie ziemlich an den kleinen Zehen gedrückt hatten.
Hundertdreißig Pfund. Ein Viertel ihres Wochengehalts.
Sie hatte sie am Donnerstagabend getragen und dann noch mal am Freitagabend, während sie sich Toast zum Abendessen gemacht hatte. Und sie hatte sie am Samstag angezogen, um zur Arbeit zu gehen, obgleich sie wusste, dass sie wahrscheinlich die Einzige im achten Stock sein würde – möglicherweise sogar im ganzen Gebäude. Sie wollte sie einlaufen, für Montag, da hatte sie nämlich vor, mindestens zwanzigmal an der Glaswand vor dem Büro des neuen Buchhalters vorbeizuschlendern. Weil der einen Sportwagen und einen knackigen Hintern hatte und weil ihre Waden durch die geradezu lachhaft hohen Absätze einfach toll aussahen.
Jetzt jedoch rannte sie auf genau diesen Absätzen.
Und musste davon ausgehen, dass sie um ihr Leben rannte.
Und als das Maschinengewehrknattern ihrer brandneuen hochhackigen Schuhe durch das leere Treppenhaus hallte, ging jeder bewusste Gedanke, zu dem Layla Martin noch fähig war – angesichts des Entsetzens, von einem Wahnsinnigen verfolgt zu werden –, in dem verzweifelten Wunsch unter, wie üblich in Jeans, Pullover und Turnschuhen zur Arbeit gekommen zu sein.
Denn gerade jetzt, gerade hier könnten ihre Schuhe über Leben und Tod entscheiden …
Der Mann war auf der anderen Seite des Großraumbüros erschienen. Sie hatte von der ToppFlyte-Akte aufgeblickt und ihn am Fahrstuhl stehen sehen. Vor Verblüffung und Schreck war sie ein bisschen zusammengefahren. Eigentlich ja albern – am helllichten Tag und mitten in London. Aber sie war ganz allein im achten Stock, und das war etwas ganz anderes.
Trotzdem, er sah aus wie ein ganz normaler Mann. Nicht irgendwie komisch. Höchstwahrscheinlich ein Bote – oder jemand, der sich verlaufen hatte.
»Hi«, hatte sie gesagt. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Bin Freund«, hatte er gesagt. »Ich bin nicht wild.«
Sie hatte die Stirn gerunzelt. »Wie bitte?«
Als Antwort hatte der ganz normale Mann mit der behandschuhten Hand in seine Jacke gegriffen und ein Messer hervorgezogen.
Layla Martin war noch nie in Gefahr gewesen, doch sie hatte nur eine Sekunde gezögert, ehe sie aufgesprungen war, ihre Tasche gepackt hatte und losgerannt war.