Kapitel 1
Meine Hände waren knallrot vor Kälte und die Finger so steif, dass ich nicht einmal mehr die Hundeleine von Milo aufbekam. Seit es kalt geworden war, hatte er nämlich keine Lust mehr auf Spaziergänge und versteckte sich lieber irgendwo in der Wohnung. Ohne Leine hätte ich ihn also niemals zu dem schönen Winterspaziergang um den See überreden können.
»Es ist ein Traum, hier im Winter!«, sagte ich zu Milo, als ich ihm im Freien die Leine wieder abnahm.
Auf der Brücke, die an der schmalsten Stelle über den See führte, blieb ich kurz stehen und blickte zurück auf meinen Campingplatz. Es fühlte sich so vertraut und heimelig an, noch vor dem Frühstück einen kleinen Spaziergang zu unternehmen – bei der aufgehenden Sonne, die den Schnee glitzern und funkeln ließ. Es hatte zwar nicht viel geschneit – Boden und Bäume waren nur überzuckert von einer hauchfeinen Schicht Weiß –, doch das genügte, um in mir ein Wintergefühl aufsteigen zu lassen. Ich musste ein wenig seufzen, weil ich hier ohne meinen Freund Jonas stand. Der war gestern früh mit Kopfschmerzen und Fieber aufgewacht und einfach im Bett geblieben. Dabei hatten wir uns so einen schönen, gemütlichen Winterurlaub hier auf meinem Campingplatz vorgestellt! Da momentan nur fünf komplett unproblematische Wintercampinggäste vor Ort waren, hätten Jonas und ich tatsächlich richtig Urlaub gehabt. Nur wir beide, die zwei Hunde und der Schnee, der alle Wohnwägen zauberhaft überzuckerte. Dazu der stahlblaue Himmel und die Wintersonne. Nach den Spaziergängen mit den Hunden hatten wir Kuscheldecken-Tee-und-Kakao-Partys auf meinem Sofa geplant, mit Netflix-Dauerglotzen.
Aber langweilig würde mir auch jetzt nicht werden, denn meine quirlige Dauercamperin Evelyn hatte mir vorausschauend zu Weihnachten ein Krimidinner geschenkt. Schon seit Tagen beschäftigte sie sich mit nichts anderem mehr als der Planung dieses Events, ich war schon sehr gespannt auf heute Abend!
»Der See ist im Winter die wahre Pracht!«, schwärmte ich, während ich ein kleines Video vom Seeweg drehte und es Jonas schickte.
Jetzt, wo es eindeutig heimwärts ging, trottete Milo brav neben mir her, auch wenn seine Miene noch immer höchsten Verdruss ausstrahlte. Die Einzige, der momentan nicht kalt war und die das Wetter unglaublich genoss, war meine Maremannohündin Clärchen, die wie ein Irrwisch herumtanzte und in der Kälte richtig dampfte. Vor mir tauchte das alte Bootshaus von Nonna auf, das frisch renoviert nun »Fräulein Schmitts« hieß und wohl das süßeste Café aller Zeiten war. In meinen Augen jedenfalls. Anhand der Fußspuren auf der dünnen Schneeschicht konnte man sehen, dass im Café Betrieb sein musste, und ich wusste auch schon, wen ich dort antreffen würde. Denn von meinen Dauercampern war momentan nur der harte Kern der Hirschgrundis anwesend, die Schmidkunzens, die Hetzeneggers und der Gröning. Die Weicheier, die nur im Sommer bei schönstem Wetter kamen, hockten natürlich zu Hause in ihren stickigen Wo