: Elisabeth Büchle
: Sommerglanz am Liliensee Roman
: Gerth Medien
: 9783961225576
: Die Liliensee-Reihe
: 1
: CHF 10.90
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: Erzählende Literatur
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Schwarzwald, 1966: Harry Sonntag, der neue Pfarrer von Vierbrücken, ist jung, eloquent und gut aussehend, dem weiblichen Geschlecht gegenüber jedoch ziemlich unbeholfen. Und mit seiner überkorrekten Art eckt der Theologe bei so manchem Vierbrückener an ... Ellen Stein, die Tochter der Besitzer des Hotels am Liliensee, restauriert mit viel Hingabe die Intarsienschnitzereien der kleinen Dorfkirche. Als Ellen und Harry aufeinandertreffen, dauert es nicht lange, bis sie feststellen, dass sie wider Erwarten die eine oder andere Gemeinsamkeit haben ... Ein humorvoll-romantischer Wohlfühlroman mit liebenswerten Protagonisten, der aufzeigt, dass jeder Mensch einzigartig und wunderbar gemacht ist.

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum. www.elisabeth-buechle.de © Foto: Claudia Toman, Traumstoff

Kapitel 1

1966

Harry stockte mitten im Satz. Unwillkürlich riss er die Augen auf. Seine Hände umgriffen fest die Holzbrüstung der winzigen Kanzel.

Während der sechsundzwanzigjährige Pfarrer seit Gottesdienstbeginn in aufmerksame oder gelangweilte, aber auch in verwirrte und prüfende Gesichter geblickt hatte, taxierte er nun das Portal der kleinen Kirche. Dort stand eine Nachzüglerin und wurde vom goldfarbenen Morgenlicht umschmeichelt. Die Sonnenstrahlen schienen gemeinsam mit der Frau in das Gotteshaus zu drängen.

Harry sah von ihrer weiblichen Statur kaum mehr als die Silhouette. Was ihn allerdings faszinierte, war ihr Haar. Vom Sonnenlicht beschienen, lag es wie ein goldener Reif um ihren Kopf, und damit sah die Frau so aus, als wäre sie einem Gemälde von Guariento di Arpo entstiegen.

Eine der jungen Damen in der ersten Reihe begann, unruhig mit den Füßen zu scharren, weiter hinten im Raum hüstelte jemand. Dieses Um-Aufmerksamkeit-Heischen, ja die Ungeduld einiger Gottesdienstbesucher ließ den Zauber, der sich auf Harry gelegt hatte, zerplatzen wie eine Seifenblase. Zurück blieb eine junge Frau mit zerzaustem rotblondem Haar, die eine eigenwillige, ganz und gar nicht sonntägliche Garderobe zur Schau trug. Sie schob energisch die schwere Eichenholztür hinter sich zu und sperrte dadurch auch das goldene Licht aus. Rasch huschte sie zu einem freien Platz in der letzten Bankreihe und verschmolz mit der Masse. Und Harry stand wie ein Idiot auf der Kanzel vor seiner neuen Gemeinde, die sich eingefunden hatte, um seinem ersten Gottesdienst beizuwohnen.

Er räusperte sich umständlich. Wo war er doch gleich stehen geblieben? Er überflog seine Notizen auf dem in die Jahre gekommenen, speckig glänzenden Lesepult. „Ja, nun …“, stammelte er in dem verzweifelten Bemühen, den roten Faden wiederzufinden, den er in jenem Augenblick verloren hatte, als diese … Engelsgestalt im Türrahmen erschienen war.

Von irgendwoher kam ein Kichern, dem Keckern einer Elster gleich. Nur tiefer. Hatte demnach jemand bemerkt, weshalb er aus dem Konzept geraten war? Das wäre … peinlich. Unverzeihlich. Immerhin wollte Harry hier einen untadeligen und hochkultivierten Eindruck machen und genau das umsetzen, was man ihm in seiner Jugend und während des Studiums ans Herz gelegt hatte. Die Pfarrstelle in dieser kleinen Kirchengemeinde, die aus den Einwohnern mehrerer verstreuter Schwarzwalddörfer und Gehöfte bestand, würde sein Sprungbrett für eine Anstellung in der großen Stadt sein.

Reiß dich gefälligst zusammen, Harry Sonntag! Das eben war nur eine Frau, die sich verspätet hat. Sie ist nicht einmal sonntäglich gekleidet. Sie ist keine himmlische Erscheinung und somit nichts, was dich ablenken sollte. Eher … ja, was? Verärgern?

Sich in Gedanken zur Raison zu rufen, hatte den gewünschten Effekt. Harry fand zurück in seine Predigt, von der er hoffte, dass sie einen guten Eindruck auf die Gemeinde machen würde. „Demnach sollen wir uns durch nichts von