Katharina von Braunfels gefiel es in Frankfurt. Dies war ihr erster Besuch in der Stadt am Main, von der sie gehört hatte, sie sei »eine kleine Großstadt«. Die Hochhäuser sprachen indes eine andere Sprache, fand sie, aber es würde ihr schon noch gelingen, herauszufinden, ob Frankfurt nun groß oder klein war.
Sie selbst war im Süddeutschen aufgewachsen, in einer ländlichen Gegend, auf dem Gut ihrer Eltern. Seltsamerweise fand sie erst jetzt, da sie Mitte zwanzig war, Freude am Reisen. Früher war ihr das elterliche Gut als Paradies erschienen – warum hätte sie es also verlassen sollen? Aber mit den Jahren war das Interesse an anderen Ländern und fremden Regionen des eigenen Landes gewachsen, und so hatte sie sich immer häufiger aufgemacht, um sie zu erkunden. An diesem Wochenende war nun also Frankfurt an der Reihe, die Bankenstadt.
Ein Grund dafür, dass sie sich Frankfurt als Reiseziel ausgesucht hatte, war Janina von Schallenberg. Die beiden so ungleichen jungen Frauen hatten einander auf dem Gut von Katharinas Eltern kennengelernt: Janina war begeisterte Reiterin. Wenn sie Urlaub machte, nahm sie ihr Pferd mit und brauchte dann einen Stall, wo sie es unterstellen konnte. Da die Familie Braunfels unter anderem eine Pferdepension betrieb, waren Katharina und Janina einander auf dem Gut begegnet und hatten sich schnell angefreundet.
Beim Abschied hatte Janina gesagt: »Besuch mich doch mal ein Wochenende in Frankfurt, Kathy! Ich würde mich wirklich freuen.«
Sie hatten häufig miteinander telefoniert, und irgendwann hatte Katharina beschlossen, Janinas Einladung anzunehmen. Schon jetzt fand sie, dass das eine gute Entscheidung gewesen war. Sie blieb stehen und sah sich suchend um – das hier war doch die Hauptwache?
»Kathy, da bist du ja!« Janina mit ihren kurzen roten Haaren kam eilig auf sie zu. Sie hatte in der Bank, in der sie arbeitete, noch etwas zu erledigen gehabt, deshalb war Katharina ein paar Stunden allein unterwegs gewesen an diesem Samstagvormittag. »Hast du dich verlaufen?«
»Nein, nein, es war ja ganz leicht zu finden. Bist du jetzt fertig mit deiner Arbeit?«
Das Gesicht ihrer Freundin verdüsterte sich. »Nicht ganz. Mein Kollege, der sich um die japanische Delegation kümmern sollte, ist krank geworden – er hat sich einen Magen-Darm-Virus zugezogen. Ra-te mal, was das bedeutet.«
»Dass du dich um die Japaner kümmern musst?«
»Du hast es erfasst, und zwar ausgerechnet heute Abend, wo ich dich mit der Frankfurter Nachtszene bekanntmachen wollte. Es tut mir wirklich leid, Kathy, aber ich kann mich natürlich nicht weigern, die Japaner sind sehr wichtig für uns.«
»Das ist doch nicht schlimm«, beteuerte Katharina, obwohl sie natürlich enttäuscht war. Aber sie wollte es Janina nicht noch schwerer machen. »Ich sehe mich allein ein bisschen um, ich bin ein ziemlich selbstständiger Mensch.«
»Ja, zum Glück!« Janina war sichtlich erleichtert, dass ihre Freundin es so leicht nahm. »Dann lass uns aber die Zeit genießen, bis ich mich für unsere Gäste in Schale werfen muss. Wozu hättest du Lust?«
»Auf einen Kaffee irgendwo am Main – wo wir einfach ein bisschen sitzen und reden können, während ich mich von eurer Skyline beeindrucken lasse.«
»Einverstanden, dann komm.« Janina hängte sich bei ihrer Freundin ein und zog sie mit sich. »Es ist nicht weit zu laufen bis zum Main – und auf dem Weg dorthin kommen wir an der berühmten Paulskirche vorbei und am Römer. So kriegst du gleich noch eine kleine Führung.«
Lebhaft redend und lachend machten sich die beiden auf den Weg. So mancher bewundernde Blick folgte der schmalen Blondine und ihrer rothaarigen Begleiterin, doch das bemerkte weder Katharina noch Janina, so vertieft waren sie in ihr Ges