: Christian Dörge
: EIN MÄDCHEN VERSCHWINDET - EIN FALL FÜR REMIGIUS JUNGBLUT Der München-Krimi!
: BookRix
: 9783755417231
: 1
: CHF 4.80
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 265
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
München im Jahre 1963. Die wohlhabende Witwe Lavinia Engelmann ist todkrank und hat nur noch wenige Tage zu Leben. Sie hegt den Wunsch, sich mit ihrer verschwundenen Tochter Christina auszusöhnen, bevor ihr letztes Stündlein geschlagen hat. Privatdetektiv Remigius Jungblut wird beauftragt, die junge Frau ausfindig zu machen und zurück nach München zu bringen. Die Spur führt nach Frankfurt. Doch als Jungblut in der Main-Metropole eintrifft, geschieht dort ein Mord. Die Hauptverdächtige: Christina Engelmann...    Ein Mädchen verschwindet  ist der vierte Roman um den Münchner Privatdetektiv Remigius Jungblut  aus der Feder von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Reihen  Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace ,  Friesland ,  Jack Kandlbinder ermittelt  und  Münchner Blut. 

  Erstes Kapitel


 

 

Es war eines der wenigen alten Gebäude in der Landshuter Allee, das noch nicht in Appartementhäuser umgewandelt oder abgerissen worden war, um einer Großtankstelle Platz zu machen. Ich parkte meinen Wagen unter einem Säulenportal, ging die Sandsteinstufen zu einer langgestreckten, angebauten Veranda hinauf und drückte auf den Klingelknopf. An den Jalousien summten die Fliegen, der Verkehrslärm am Rande der abschüssigen Rasenfläche hinter mir schien weit entfernt. Es war drei Uhr nachmittags, mitten im heißen August. Ich nahm meinen Hut ab und trocknete die feuchte Stirn mit einem Taschentuch, das ich aus der Brusttasche meines leichten Freskoanzugs zog.

Eine Frau in weißer Pflegerinnentracht kam an die Tür und musterte mich durch die Glasscheibe. Sie war in den Dreißigern, recht hübsch, wenn auch ein wenig dicklich, und ungeschminkt. Braunes Haar mit grauen Strähnen kräuselte sich feucht unter der weißen, gestärkten Haube.

»Ja?«, fragte sie freundlich, nachdem sie geöffnet hatte.

»Mein Name ist Jungblut«, sagte ich. »Ich bin mit Frau Engelmann verabredet.«

»Ja, richtig.« Sie trat beiseite. »Kommen Sie bitte herein.«

In der Veranda stieg mir ein leichter Stärke- und Lysol-Geruch in die Nase. »Hier, bitte! Frau Engelmann befindet sich im Sonnenzimmer.«

Ich folgte ihr durch einen dunklen Korridor, der im Vergleich zu der Hitze, die draußen herrschte, geradezu kühl wirkte. Der Teppich war ein wenig abgetreten, er hatte ein altmodisches Blumenmuster, und es roch leicht nach Moder, Wachs und Staub. An der einen Wand tickte eine alte Standuhr. Die Schwester öffnete eine Tür, durchquerte einen dunklen Raum, dessen Rollos herabgelassen waren, um die Sonne abzuhalten, und ging in eine Art Alkoven, der von hohen Fenstern umschlossen war; mehrere Tische mit Topfpflanzen standen darin. Die Fenster waren geschlossen, und die Hitze war erdrückend. Es wurde mir fast übel von dem Geruch der Blumen und der feuchten Erde. Erneut wischte ich mir die Stirn ab und fühlte den Schweiß hinter den Ohren herabrinnen.

In einem tiefen, niedrigen Sessel, im direkten Sonnenlicht, saß eine Frau. Sie hatte eine rosa Wolldecke über die Knie hochgezogen und trug ein rüschenbesetztes Kleidungsstück mit langen Ärmeln und hohem Kragen, das man, wie ich glaube,Bettjacke nennt. Wenn ich die Decke und die Jacke nur ansah, wurde mir noch heißer. Die Frau hatte ein schmales, bleiches Gesicht, scharfe, dunkle Augen und weiße Haare, die man auf eine fast komisch anmutende Art in straffe kleine Löckchen gelegt hatte. Der schmale, kleine Mund war mit grellem Lippenrot geschminkt, und die eingefallenen Wangen bildeten einen erschütternden Kontrast zu der trockenen, blassen, gepuderten Haut. Irgendwann einmal in der fernen Vergangenheit mochte sie schön gewesen sein. Vielleicht war sie sechzig, vielleicht achtzig – in den Geruch der Blumenerde mischte sich der Geruch des Alters und Verfalls.

Die dickliche Pflegerin sagte mit halb erstickter Stimme: »Frau Engelmann – das ist Herr Jungblut.«

»Besten Dank, m