: Jutta Schubert
: Der Mond ist ein Licht in der Nacht
: Kulturmaschinen Verlag
: 9783967632583
: 1
: CHF 5.60
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 276
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jutta Schuberts Erzählungen sind Abschiedstexte zu Lebzeiten, die thematisch um Vergänglichkeit, Trennung und Flucht kreisen. Es geht darum, etwas zu bewahren, um das Leben weiterhin zu bestehen. Vom Vergehen der scheinbar endlosen Jugend bis zum beschwerlichen Alter. In allen Geschichten spielt der Mond motivisch eine Rolle, mal zentral, mal eher beiläufig. Der Mond ist das Licht in der Nacht, das ein alter Mann sieht, der in seinem Garten steht, den er nicht mehr bearbeiten kann. Es ist das Mondlicht, das die Flüchtlinge in einem französischen Camp benötigen, um nachts auf den Zug nach England zu springen. Oder er wird wie ein Amulett zum Schutzsymbol zweier Reisender.

Who wants to live forever?

Freddy Mercury

Sommerschatten

Zu der Zeit waren wir viel zu dritt unterwegs, Bastian, Tom und ich. Wir waren rausgefahren an dem Abend. Irgendwo im Hintergrund von Bastians Universum gab es Celia, aber die war für solche Touren nicht zu haben.

Ein bisschen war ich auch mit Celia befreundet. In der Klasse saß sie neben mir. Bastian und Tom be­suchten die Parallelklasse. Celia und ich teilten Stifte und Hausauf­gaben, Weingummis und Pausenbrötchen, aber es war eine Zweckgemeinschaft. Ich schämte mich, mit ihr gesehen zu werden, sie war klein und pummelig, trug eine hässliche grüne Brille, steckte ihre roten Haare zu einem Knoten hoch und sah damit aus wie die Schwester ­ihrer Mutter. Mir war das peinlich. Bastian ging offiziell mit ihr. Ich habe nie verstanden, was er an ihr fand. Er war groß, schlank, und sein blondes, halblanges Haar fiel ihm in die Stirn, was ihm etwas Verwegenes gab. Celia wirkte wie seine Gouvernante. Trotzdem waren die beiden eine feste Größe an unserer Schule, die Marke Celia und ­Bastian. Ich war keine Marke. Einfach nur ich.

Meine Freundschaft mit Bastian und Tom war besonders, stärker als jede Marke hätte sein können. Tom war Bastians bester Freund. Er konnte nichts mit Celia an­fangen, die meiste Zeit ignorierte er sie. Nie sprach er ihren Namen aus, ich denke, sie gehörte für ihn auf einen anderen Planeten. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals im Reihenhaus von Toms Eltern oder ihrem Garten gesehen zu haben. Bastian und ich gingen dort ein und aus.

Bei Bastian zu Hause war ich nie, da gab es irgendwelche schwierigen Verhältnisse. Und zu mir konnte ich meine Freunde nicht mitbringen. Meine Eltern empfanden jeden Kontakt ihres gut behüteten Einzeltöchterchens als Bedrohung, die verbal bekämpft wurde. Sie schotteten mich ab, so gut sie konnten. Deshalb trafen wir uns bei Tom.

An den Abenden in den Sommerferien Anfang ­August, wenn in der einsetzenden Dämmerung ein warmer, teeri­ger Geruch vom Asphalt aufstieg, und das Leben, das vor uns lag, endlos zu sein schien, fuhren wir zum See. ­Bastian besaß, seit er achtzehn geworden war, einen klapprigen mausgrauen Kadett, der Lack war stumpf, und man musste den Kassettenrekorder sehr laut stellen, um die Fahrgeräusche zu übertönen. Der See war eine still­gelegte Kiesgrube, Baden verboten. Bastian und ich schwammen nackt hinaus, der wasserscheue Tom blieb am Ufer zurück und drehte einen Joint.

Das Wasser war kalt, die Grube tief. Im Uferbereich wate­ten wir durch glitschige Pflanzen und weichen Schlamm. Tom fand das eklig, aber Bastian und mir machte es nichts aus. Das herrliche Gefühl, hinaus­zu­schwim­men, entschädigte uns dafür.

Neben Bastian zu schwimmen, war nicht einfach, er war