: Gabriela Bock
: Die schwebende Hausfrau Ein leicht übernatürlicher Harzkrimi
: Elektronik-Praktiker
: 9783969010235
: 1
: CHF 2.40
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 244
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Suse Maibaum steckt in einer tiefen Sinnkrise. Die Mittfünfzigerin fühlt sich nicht nur heillos überlastet und auf den Haushalt reduziert, sondern oftmals auch von ihrer großen Familie, die sie liebt, missverstanden. Zudem fehlt ihr der besondere>Kick< im Leben. Das ändert sich schlagartig, als sie nach einem Unfall im Krankenhaus erwacht. Sie entdeckt eine längst verloren geglaubte Fähigkeit wieder neu. Nun kann sie, im wahrsten Sinn des Wortes, alles aus einer ganz anderen Perspektive betrachten. Als in Suses Umfeld einige ältere Personen auf mysteriöse Weise ums Leben kommen, beschließt sie, den Dingen auf den Grund zu gehen. Endlich eine neue>Aufgabe<.

Ich wurde 1951 in Herzberg am Harz geboren. Das Schreiben ist meine große Leidenschaft, der ich schon seit meiner Schulzeit nachgehe. Damals verfasste ich vorwiegend Briefe und Gedichte und führte Tagebuch. Es folgten Jahre der Kindererziehung und mehrere berufliche Stationen, beispielsweise in der Krankenpflege oder als Heilpraktikerin in eigener Praxis. Wenn sich während dieser Zeit die Gelegenheit bot, Stift und Notizbuch zur Hand zu nehmen, dann dachte ich mir Geschichten für meine Kinder aus. Erst jetzt, da unsere sechs Kinder inzwischen alle erwachsen und - außer der Jüngsten - selbst Eltern sind, finde ich die Zeit und Ruhe, um mich dem Schreiben von Romanen zu widmen. Vielleicht liegt es an meinem Ehrgeiz, vielleicht ist es aber auch meiner Fantasie geschuldet, dass ich mittlerweile als Krimi-Autorin Blut geleckt habe. Es bereitet es mir jedenfalls eine Menge Spaß, Personen auf unterschiedliche Art>um die Ecke zu bringen<, natürlich nur im literarischen Sinne, und zu beschreiben, was in Menschen vorgeht, bevor sie werden, was sie sind. Ich lebe mit meinem Mann in Hattorf am südwestlichen Harzrand und liebe meine große Familie, unsere Tiere, Reisen, das Leben im Allgemeinen und natürlich den Harz.

Kapitel 1


Unser hellrosa gestrichenes Holzhaus am Ortsrand von Hattorf passte sich den Farben wunderbar an. Die Stimmung im Feld hatte mich vergessen lassen, wie kalt es eigentlich war. Auf gefühllosen Stöcken stakelte ich zur Tür. Im Haus ließ ich die Hunde auf den alten Teppich im Hauswirtschaftsraum, hängte meine nassen Sachen auf die Wäscheleine und betrat in meiner schäbigsten Skiunterwäsche ahnungslos die Küche. Diese Unterwäsche passte mir schon vor Katinka, als ich noch 80 Kilogramm wog. Inzwischen wog ich 90, bei einer leider konstant bleibenden Größe von 1,60 m.

Es war ein Samstag. Richy, Katinka, Leonard und so ein blondes Mädchen saßen am Küchentisch, aßen Weihnachtskekse und tranken Tee. Die Kerzen auf dem Tisch tauchten den Raum in ein heimeliges Licht. Ich wollte gerade wieder zurück in den Hauswirtschaftsraum verschwinden – so wie ich aussah, konnte ich unmöglich der neuen Freundin unseres Sohnes begegnen – als die aufsprang und mir ihre schmale Hand entgegenstreckte.

»Guten Tag, ich bin Lulu.«

Etwas verärgert versuchte ich zu lächeln.

»Ich bin Suse. Tut mir leid, hätte ich gewusst, dass wir Besuch haben, hätte ich mich umgezogen.« Mist, meine Lippen waren immer noch taub von der Kälte.

»Macht doch nichts«, meinte Lulu.

Mein Mann Richy polterte daraufhin sofort los. »Wenn du dich noch einmal entschuldigst, Suse!«

Er hatte ja recht. Zu meinen schlechtesten Angewohnheiten gehörte es, mich immer für alles Mögliche zu entschuldigen. Trotzdem warf ich ihm einen empörten Blick zu. Mich hatte es doch mal wieder kalt erwischt und nicht ihn. Wir setzten uns. Ich goss mir Tee ein und umklammerte mit meinen Händen die warme Tasse. Dieses unwirkliche Schneetreiben draußen im Feld hatte mich so fasziniert, dass ich beinah festgefroren wäre.

Leonard hielt Lulu im Arm. Sie lächelte verlegen. Wie jung sie aussah mit ihrer Zahnspange und in dem lila Glitzer-Jäckchen. Den hellblonden Kükenflaum auf dem Kopf trug sie in alle Richtungen abstehend in Form gegelt. Leonard flüsterte ihr etwas zu, bevor sie aufstanden.

»Vielen Dank für den Tee und die Kekse«, sagte Lulu.

Leonard zog sie in sein Zimmer.

»Sag mal, die ist doch höchstens sechzehn.«

Mein Mann sah mich fragend an. Ich hatte keine Ahnung, wie alt sie war. Unser zwanzigjähriger Sohn wechselte öfter mal seine Frauenbekanntschaften. Katinka erschien in ihrer Winterjacke, auf dem Rücken baumelte ein prallgefüllter Rucksack. Richy sprang hastig auf, verschwand im Hauswirtschaftsraum. Kurze Zeit später kam er im Blaumann wieder.

»Ich nehme Katinka gleich mit zu Jeremy, wir sehen uns später«.

Wir wollten abends ausgehen und Katinka übernachtete bei unserem ältesten Sohn und dessen Lebensgefährtin. Ich konnte es nicht fassen, dass Richy an so einem Tag unbedingt noch in die Pension musste. Dieses alte Gebäude, das er und unsere Freundin Marga seit drei Jahren, seit dem Tod ihres Vaters, wieder instand brachten, war der Grund dafür, dass wir uns kaum noch sahen. Obendrein war vorauszusehen, dass die Kosten für die Renovierung uns demnächst den finanziellen Todesstoß verpassen würden. Aber nachdem ich von Richy gebeten worden war, mich da raus zu halten, tat ich, was von mir verlangt wurde. Obwohl ich gern mitrenoviert hätte, äußerte ich mich nicht mehr zu dem Fall.

Katinka nahm mich in den Arm. »Tschüss, bis morgen, Mama.«

»Deinem Gepäck nach zu urteilen sehen wir uns erst in drei Wochen wieder.«

Sie lachte.

Ich blies die Kerzen aus und auch das Teelicht im Stövchen. Dann räumte ich die leere Keksdose weg und packte die Tassen in die Spülmaschine. Das Mittagsgeschirr passte auch noch mit rein. Auf der Arbeitsplatte und der Spüle klebten noch die Soßenspritzer von den Sahne-Schnitzeln, die es mittags gegeben hatte. Mit Spülmittel und einem Schwamm rubbelte ich das angeklebte Zeug weg.

Ich hatte mir immer diese große Familie gewünscht. Und als die Kinder klein waren, hatte ich nie an mir und meinem Leben gezweifelt. Inzwischen kam ich mir manchmal noch nicht einmal mehr wie eine Hausfrau, sondern eher wie ein Dienstmädchen vor.Nein