: Ursula Poznanski
: Thalamus
: Loewe Verlag
: 9783732012534
: 2
: CHF 8.10
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine abgelegene Rehaklinik ist Schauplatz des Med-Thrillers von Bestseller-Autorin Ursula Poznanski. Diesmal denkt die ehemalige Medizinjournalistin Chancen und Gefahren der modernen Hirnforschung konsequent weiter und trifft wieder einmal einen Nerv - buchstäblich! Ein schwerer Motorradunfall katapultiert den siebzehnjährigen Timo aus seinem normalen Leben und fesselt ihn für Monate ans Krankenbett. Auf dem Markwaldhof, einem Rehabilitationszentrum, soll er sich von seinen Knochenbrüchen und dem Schädelhirntrauma erholen. Aber schnell stellt Timo fest, dass sich merkwürdige Dinge im Haus abspielen: Der Junge, mit dem er sich das Zimmer teilt, gilt als Wachkomapatient und hoffnungsloser Fall, doch nachts läuft er herum, spricht - und droht Timo damit, ihn zu töten, falls er anderen davon erzählt. Eine Sorge, die unbegründet ist, denn Timos Sprachzentrum ist schwer beeinträchtigt, seine Feinmotorik erlaubt ihm noch nicht niederzuschreiben, was er erlebt. Und allmählich entdeckt er an sich selbst Fähigkeiten, die neu sind. Er kann Dinge, die er nicht können dürfte. Weiß von Sachen, die er nicht wissen sollte ...

Ursula Poznanski, geboren in Wien, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universität, bevor sie nach zehn Jahren die Hoffnung auf einen Abschluss begrub und sich als Medizinjournalistin dem Ernst des Lebens stellte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann sie Kinderbücher zu schreiben. Ihr Jugendbuchdebüt Erebos erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis) und machte die Autorin international bekannt. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen und ihre Thriller für Erwachsene sind genauso regelmäßig auf den Bestsellerlisten zu finden, wie ihre Jugendbücher. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.

2

Den ersten wachen Augenblick, an den Timo sich später wirklich erinnern sollte, durchlebte er an dem Abend, als es Kürbisbrei mit Kartoffeln gab. Man hatte das Kopfteil von Timos Bett aufgerichtet. Ein junger Pfleger saß mit dem gefüllten Teller neben ihm und versuchte, ihn zu füttern.

Es klappte. Timo kaute, schluckte und hörte, wie der Pfleger ihn für jeden Bissen lobte. »Guter Junge. Toll machst du das. Ganz toll!«

Als würde er mit einem Hund reden, aber das störte Timo nicht, denn er verstand jedes Wort. Sein Blick klebte förmlich an dem Pfleger, und er wünschte sich, dass die Bewusstlosigkeit ihn nicht gleich wieder einfangen würde.

»Noch ein Löffel. Sehr gut. Und noch einer.«

Timo aß und lauschte. Mit jedem Wort gewann die Welt ein Stück ihrer Bedeutung zurück.

Ein paar Tage später konnte er bereits Gesprächen folgen, die neben seinem Bett geführt wurden. Seine Eltern waren hier, und einer der Ärzte, ein gewisser Dr. Schmiedeberg, erklärte ihnen, Timo würde morgen auf die Normalstation verlegt werden. »Er macht unglaublich rasante Fortschritte. Wenn man sich überlegt, dass wir vor drei Wochen nicht damit rechnen durften, dass er überhaupt wieder aufwacht … es hat nicht gut ausgesehen, das wissen Sie ja.«

Vor drei Wochen. So lange lag er also schon hier.

»Wie wird es jetzt weitergehen?«, hörte er seine Mutter sagen. »Wird er … also, wird er wieder gesund? Ganz gesund?«

»Ich will Ihnen keine Versprechungen machen.« Timo blieb kurz an dem WortVersprechungen hängen. Was war das? Ach ja.

»Aber wenn Ihr Sohn sich weiter so gut erholt, hat er reelle Chancen, später ein normales Leben führen zu können.«

Was sollte das denn heißen? Natürlich würde er ein normales Leben führen, was für eines denn sonst? Timo öffnete den Mund, wollte dem Arzt erklären, wie er das sah, doch die Worte ließen ihn immer noch im Stich, gewissermaßen. Er verstand sie zwar jetzt, doch er wusste nicht mehr, wie man sie produzierte.

Das Gespräch war ohnehin längst weitergegangen.

»… zur Rehabilitation in eine spezielle Einrichtung überweisen«, sagte der Arzt gerade. »Dort ist man auf Fälle wie den von Timo spezialisiert, die Kollegen erzielen hervorragende Ergebnisse, besonders bei Jugendlichen.«

»Ja, Professor Kleist hat uns schon davon erzählt«, sagte Papa zögernd. »Es ist nur eben sehr weit weg …«

Mamas blasses Gesicht tauchte über Timo auf, sie beugte sich zu ihm hinunter, drückte ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn. »Bis morgen, mein Schatz.«

Er blinzelte ihr zu, sie lächelte, küsste ihn noch einmal, streichelte seinen Arm. »Es wird alles wieder gut«, sagte sie. »Alles.«

Dann gingen sie nach draußen. »Ich gebe Ihnen Informationsbroschüren mit«, hörte Timo Dr. Schmiedeberg noch sagen. »Der Markwaldhof hat einen großartigen Ruf, und ich bin sicher, Timo würde sich dort wohlfühlen.«

Von wegen. Er wollte in kein Rehabilitationszentrum, er wollte nach Hause, er würde auch so klarkommen. Der Arzt hatte doch selbst gesagt, dass er sich gut erholte. Auch wenn er jetzt schon wieder entsetzlich müde war und keinen Gedanken festhalten konnte.

Ein Bild tauchte auf und verschwand wieder. Augen. Grüne Augen, umrahmt von langen, geschwungenen Wimpern. Dann Dunkelheit.

Als er wieder wach wurde, hatte die Umgebung sich verändert. Kein Piepsen mehr, keine eiligen Schritte, auch das allgegenwärtige rhythmische Zischen, ein Geräusch wie von einem schwer atmenden Riesen – fort.

Stattdessen Ruhe. Cremefarbene Wände, Bilder von grünen Hügeln und gelben Blumen. Sehr vorsichtig drehte Timo den Kopf zur Seite, das hatte er bei jedem bisherigen Versuch mit furchtbaren Schmerzen bezahlt.

Diesmal hielten sie sich in Grenzen. Schwindelig wurde ihm allerdings, und zwar sehr, obwohl er doch flach auf dem Bett lag. Er atmete