: Patricia Koelle
: Der Himmel zu unseren Füßen Weihnachtsroman | Hoffnungsvoller Winterroman
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104906638
: 1
: CHF 9.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von Hoffnung und Licht: ein Winter auf Amrum Ein wunderschöner Roman zum Fest der SPIEGEL-Bestsellerautorin von »Das Meer in deinem Namen« und »Wenn die Wellen leuchten« Amrum, Heiligabend 1944. Kalt schlägt die Brandung an den Strand der Insel. Aber in Birkes Haus leuchtet ein Licht. Eng gedrängt sitzen die Bewohner um einen kleinen Weihnachtsbaum. Mit Brennstoff muss gespart werden, das Essen zum Fest ist äußerst karg. Während alle auf die Kerzen blicken, beginnt Birke zu erzählen: davon, wie im Herbst alles anfing. Als sie in den Dünen zwei Fremde traf, die von ihr jedoch keine Hilfe annehmen wollten. Eine Begegnung, die sie einfach nicht mehr loslässt ...

Patricia Koelle ist eine Autorin, die in ihren Büchern ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften Planeten zum Ausdruck bringt. Bei FISCHER Taschenbuch erschienen, neben Romanen und Geschichten-Sammlungen, die Ostsee- und Nordsee-Trilogie, die Inselgärten-Reihe sowie die Sehnsuchtswald-Reihe. ?Flaschenpost vom Leben? ist der erste Band ihrer Glückshafen-Reihe.

2Skeewacht Hüs


Der Wind hatte sich sicherlich schon in vielen Weihnachtsnächten den Weg in das alte Haus im Kimangwai gebahnt. Doch Birke fragte sich, ob er dort schon jemals so viele Menschen vorgefunden hatte, die unter diesem Dach Zuflucht gesucht hatten.

Da Idas Mann, der Bauer Siegfried Prenderney, in den Krieg gemusst hatte, war Birke hier eingezogen, um Tante Ida zu unterstützen. Diese musste sich nun nicht nur allein um ihren Sohn Tede, den Hof und das Vieh kümmern, sondern dazu noch um Leni. Und der alte Opa Prenderney musste auch gepflegt werden.

Tede heckte selbst in diesen angstvollen Zeiten ständig Unsinn aus. Opa Prenderney nannte ihn einenSnootbalig, was so viel wie Rotzlöffel bedeutete. Aber Birke war dankbar, dass Tede das Lachen lebendig hielt, koste es, was es wolle, selbst dann, wenn alle anderen kaum noch wussten, wofür sie morgens aufstehen sollten. Tede war mit seinen fünfzehn nur sieben Jahre jünger als sie selbst, aber Birke fühlte sich neben ihm manchmal uralt. Das lag nicht nur daran, dass ihr rechtes Knie bei diesem Wetter noch immer bei jeder Bewegung schmerzte und sie an den vergangenen Sommer erinnerte, den sie zu gern aus ihrer Erinnerung gelöscht hätte.

 

Dann war da noch Emil. Emil war fast so alt wie Opa Prenderney. Jedenfalls nahm man das an. Woher Emil gekommen war, wusste niemand. Er war bei Ebbe von der Nachbarinsel Föhr herübergelaufen, aber keiner hatte ihn dort vermisst. Er konnte sich selbst nicht erinnern, woher er kam. Wer auch immer ihm die schlecht verheilte Wunde an seiner Stirn zugefügt hatte, mochte die Ursache dafür sein. Die Narbe sah aus wie ein Fragezeichen.

Der Krieg hatte ihn hier angespült wie so manches Treibgut, und weil man nicht wusste, wohin mit ihm, schlug Ida vor, dass er eine gute Gesellschaft für Opa Prenderney sein könnte. Der alte Hof hatte so viele Stuben, dass für den Emil auch noch eine übrig war. Je mehr Menschen auf dem Hof, desto besser, fand Ida. Zum einen fiel Leni dann weniger auf. Sie war jüdisch, und keiner durfte es wissen. Zum anderen half es gegen die schmerzliche Stille, die das Fehlen von Idas Siegfried hinterlassen hatte.

»Warum soll das Skeewacht Hüs nicht eine Art Arche Noah für uns alle sein?«, fragte Tante Ida, und nicht einmal Opa widersprach.

 

DasSkeewacht Hüs hieß so, weil über dem Tor eine Waage mit zwei herunterhängenden Schalen eingemeißelt war. Die Schalen hingen auf gleicher Höhe. In Öömrang, dem friesischen Dialekt der Insel, warSkeewacht das Wort für eine solche Waage. Für Tante Ida bedeutete das die Aufgabe, in das Leben aller Anwesenden trotz des Krieges so etwas wie ein Gleichgewicht zu bringen. Wenn nicht hier, auf dem sturmerprobten Hof auf einer Insel im Wattenmeer, wo dann?

Ida fand, die vielen Menschen und Stimmen wirkten auch gegen die Angst und die Ungewissheit, die sich in diesem Jahr ausbreiteten wie Nebel im November.

 

Tante Ida hat recht, dachte Birke, es hilft. Sie lauschte auf die Kinderstimmen in der Küche.

»Filine, wenn du so viel Plätzchen isst, sind keine mehr für den bunten Teller übrig!«, hörte Birke Pinswins Stimme.

»Aber sie schmecken so gut, und ich habe Hunger«,