: Thilo Scheurer
: Leonhardsviertel
: Emons Verlag
: 9783863589899
: 1
: CHF 7.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 304
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Herbst 1995 wird der Bankierssohn Anselm Friedmann im Stuttgarter Rotlichtviertel erschossen. Viel zu schnell werden die Ermittlungen eingestellt. 20 Jahre später liegen die Akten beim neugegründeten LKADezernat T.O.M. Ehe sie sich's versehen, stecken Hauptkommissarin Marga Kronthaler und ihr neunmalkluger Assistent Sebastian Franck im Zentrum brisanter Ermittlungen und stoßen auf dubiose Machenschaften im Deutschland der 90er Jahre.

Thilo Scheurer, Jahrgang 1964, veröffentlichte mehrere Kriminalromane sowie einen Abenteuerroman. Er lebt und schreibt in einer Kleinstadt am Rande des Schwarzwalds, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Bis zu zehntausend Erreger pro Quadratzentimeter. Sebastian Franck stierte den Haltegriff an und beschloss, das speckig glänzende graue Plastikteil nur im äußersten Notfall anzufassen, obwohl ein halbes Dutzend blauer Klebeschilder ihn dazu aufforderte. Es gab kaum etwas, das er weniger ausstehen konnte als einen überfüllten Linienbus im morgendlichen Berufsverkehr. Überall schwitzende und schlecht riechende Menschen, die ihm auf die Pelle rückten, seinen Anzug zerknitterten und ihre Bakterien verbreiteten. Zu allem Übel stand seit der letzten Haltestelle eine füllige ältere Frau mit toupierten Haaren direkt vor ihm und quetschte ihre ballongroßen Brüste gegen seine Bauchdecke. Sie schnaufte und schwitzte wie ein Schwerarbeiter auf dem Bau. Die Frau hatte ihren Arm über den Kopf gestreckt und hielt sich an einem der Haltegriffe fest, wodurch sie aussah wie ein unförmiger Fisch am Haken. Dabei präsentierte sie einen handtellergroßen Schweißfleck unter dem Ärmel ihres knallroten Wollblazers. Wenigstens war die Frau so klein, dass ihr Atem nicht bis auf Höhe seiner Nase drang, sondern lediglich mit dem der anderen Passagiere an den Fenstern kondensierte.

Sebastian wandte den Blick von dem blonden Haarknäuel ab, das den chemischen Geruch eines Raumsprays verströmte. Rechts neben der Dicken lümmelten drei pubertierende Mädchen mit dem Rücken zum Fenster auf einer durchgesessenen Sitzbank. Unter den bunten Mützen traten die weißen Kabel von Ohrstöpseln hervor. Alle drei fixierten mit verschlafenen Augen das Display ihres jeweils eigenen Smartphones auf dem Schoß. Gleiche Körperhaltung, gleiches Handymodell. Hätten sie nicht derart unterschiedlich ausgesehen, hätte Sebastian auf eineiige Drillinge getippt. Aber vermutlich ähnelten sich in ihrem Alter alle Mädchen und hörten die gleiche dämliche Hip-Hop-Musik. Glücklicherweise musste er sich nicht mit solchen Blagen herumschlagen.

Abrupt bremste der Bus, und die Fliehkraft quetschte die Brüste der Blonden noch stärker in Sebastians Bauch. Eine äußerst unangenehme Situation. Er murmelte eine Entschuldigung und versuchte, sich wegzudrehen. Ölsardinen in der Dose verfügten garantiert über mehr Freiraum. Schließlich stand er mit dem Rücken zu der Frau und blickte in das gelangweilte Gesicht eines pummeligen, Kaugummi kauenden Teenagers mit Schildmütze, auf der noch das Schild mit der Größenangabe klebte. Seine riesige Nase schwebte direkt vor Sebastians Gesicht, und der Junge schniefte ununterbrochen. Sein Bartwuchs beschränkte sich auf ein flaumiges Etwas an seiner Oberlippe und eine Handvoll längerer Borsten am Kinn. In den Augenwinkeln klebten die letzten Schlafreste, und vermutlich hatte seine Morgentoilette nur aus einem Schwall Deospray bestanden. Zum Glück waren Pickel nicht ansteckend.

Der Bus beschleunigte so ruckartig, dass Sebasti