»Auf Schloss Sternberg leben Sie?«, rief der blonde junge Mann und strahlte über das ganze Gesicht. »Bis eben habe ich mich, ehrlich gesagt, fürchterlich gelangweilt, aber jetzt fange ich an zu glauben, dass dies mein Glückstag ist!«
Baron Friedrich von Kant musste schmunzeln über diesen Überschwang, zumal ihm sein Gesprächspartner aus der Seele sprach: Diese Wohltätigkeitsveranstaltung, auf die er seine Frau begleitet hatte, war wirklich sterbenslangweilig. Durch die geöffnete Saaltür hörten sie einzelne Sätze der vierten – oder war es schon die fünfte? – langen Rede, und ein Ende schien nicht absehbar zu sein. Er hatte sich die ganze Zeit über ein wenig abseits gehalten, in der Nähe der Tür, um gelegentlich, wenn er es gar zu ermüdend fand, den Saal wenigstens für einige Minuten verlassen zu können, natürlich so, dass es möglichst nicht auffiel. Bei einer dieser kleinen Fluchten jedenfalls war er auf den langen Blonden mit dem jungenhaften Gesicht und den lebhaften blauen Augen gestoßen und mit ihm ins Gespräch gekommen.
»Freut mich«, sagte er jetzt, »aber nun möchte ich natürlich gern erfahren, was Sie mit Sternberg verbindet. Sind Sie schon einmal dort gewesen?«
»Noch nie, aber es interessiert mich wegen des Gestüts. Das ist ja richtig berühmt geworden.« Der Blonde streckte die Hand aus. »Casimir von Loedtke«, sagte er.
»Friedrich von Kant«, erwiderte der Baron, während er den kräftigen Händedruck des jungen Grafen erwiderte. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Herr von Loedtke. Was verschlägt Sie denn hierher ins Sternberger Land?«
Der Andere lächelte ein wenig verlegen. »Ich will so schnell wie möglich alles über Pferdezucht lernen, was ich bisher noch nicht weiß«, antwortete er. »Mein Großvater hatte ein großes Gestüt in Ostdeutschland, das hat er verloren, durch eigene Fehler. Er hat sein Geld falsch investiert, und irgendwann war das Gut verloren. Das war für ihn und vor allem für die Familie ein Albtraum, er hatte nämlich sechs Kinder. Eins davon war mein Vater, der daraufhin beschlossen hat, Bankkaufmann zu werden und finanziell nichts mehr zu riskieren.«
»Und Sie wollen jetzt in die Fußstapfen Ihres Großvaters treten?«, fragte der Baron interessiert.
»Finanziell nicht!«, lachte Casimir von Loedtke. »Nur was die Pferde betrifft. Ich erinnere mich noch lebhaft an das Gut meiner Großeltern, von damals ist mir die Liebe zu Pferden geblieben, und ich habe immer davon geträumt, eine eigene Zucht aufzumachen. Ich verstehe auch einiges von Pferden, aber ein Züchter bin ich ja deshalb noch lange nicht.«
Im Saal brandete Beifall auf, offensichtlich war die Rede zu Ende. Normalerweise wäre Baron Friedrich jetzt eilig zurückgekehrt, um mitzuklatschen, aber was Casimir von Loedtke erzählte, fand er viel zu interessant, um das Gespräch an dieser Stelle abzubrechen. »Erzählen Sie mal, was Sie für Pläne haben!«, forderte er den jungen Mann auf.
»Ich suche nach einem geeigneten Gelände, denn das Gut meines Großvaters gehört schon lange einem internationalen Konzern, das ist für immer verloren. Ganz abgesehen davon, dass mir diese Gegend gefällt, hier würde ich mich gern niederlassen.«
»Wo leben Sie jetzt, wenn ich fragen darf?«
»In der Nähe von München.«
»Was für Pferde wollen Sie denn züchten?«
»Rennpferde!« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ich war vor einigen Jahren eine Zeit lang Jockey, bis ich mit Anfang zwanzig zu groß und zu schwer wurde. Noch heute beschleunigt sich mein Puls, sobald ich eine Rennbahn auch nur aus der Ferne sehe.«
Da die ersten Leute den Saal verließen und es um sie herum laut wurde, schlug der Baron vor, sich ein stilles Plätzchen zu suchen, wo sie in Ruhe weiter fachsimpeln konnten. Friedrich stellte bald fest, dass sein neuer Bekannter vielleicht unerfahren war, aber trotzdem über ein breites Wissen verfügte, das er sich nicht nur angelesen haben konnte.
»Sie haben wohl