Eine Vernunftehe?
Klaus blickte minutenlang auf die geschlossene Türe. Er konnte es nicht fassen! Ein Heiratsantrag bei einer geschäftlichen Besprechung! Hätte er anders reagiert, wenn es sich um eine schlanke Frau handeln würde?
Nein, eine Ehe käme für ihn nie mehr infrage.
Auf seinem Schreibtisch lag die vergessene Mappe. Er nahm sie und wollte im ersten Moment der seltsamen Frau folgen. Doch vermutlich hatte sie das Gebäude schon lange verlassen. Neugierig blätterte er die Unterlagen durch und ertappte sich dabei, in ihre Ausarbeitung hineinzulesen.
Er war beeindruckt. Nora Spatz hatte an alles gedacht und bis ins Detail berechnet, in welcher Weise das neue Produkt zu vermarkten wäre. Tatsächlich schien es ein überragender Marketing-Trick zu sein, die Kekspraline anlässlich der Hochzeit seiner Erfinder zu präsentieren. Eine limitierte Edition, um die Gier der Menschen anzuheizen und bei steigender Nachfrage zu einem dauerhaft angebotenen Artikel aufzusteigen. Wider Willen imponierten ihm ihre klare Auffassung und ihre Strategie.
Er überlegte.
Nach dem Fiasko seiner abgesagten Hochzeit hatte er gedacht, er würde nie mehr heiraten. Die Demütigung saß ihm bis heute in allen Knochen, und er war stolz darauf, dass nichts an die Öffentlichkeit durchgedrungen war. Einerseits.
Andererseits entnahm er den Andeutungen von Frau Doktor Spatz, dass doch einiges durchgesickert war.
»Hier bist du!« Sein Bruder Konstantin ließ sich ihm gegenüber nieder, in denselben Stuhl, auf dem vor zwei Stunden Nora Spatz gesessen hatte.
»Hast du vergessen, dass heute unser Herrenabend ist?«
Schuldbewusst sah Klaus auf seine Armbanduhr.
»Was ist das?« Konstantin deutete auf die Mappe vor ihm. Stumm reichte Klaus ihm die Unterlagen.
»Hochzeitskuss?« Konstantin grinste. »Ist das nicht vorbei?«
»Schau es dir bitte an und sag mir deine Meinung. Es wäre ein Vertrag mit einer Schokoladenfirma.«
»Du willst expandieren? Ein neuartiges Produkt? Nach den Misserfolgen unseres Vaters dachte ich, wir bleiben einfach bei den bewährten Heim-Keksen und ändern nichts. Die Verkäufe liegen im Plan.«
»Vaters Versuch, das Sortiment aufzufrischen, ist an Mittelmäßigkeit und miserablen Marketingstrategien gescheitert. Geschmacklich war es eine Katastrophe und beide Neueinführungen konnten keinesfalls mit unseren restlichen Produkten mithalten, die seit Jahrzehnten unverändert sind, um es mal zu bemerken.«
»Das stimmt. Dennoch schreiben wir schwarze Zahlen und haben keinerlei Zwang, uns mit irgendeinem Risiko zu verzetteln.«
»Ich werde nächste Woche nach Bad Hofgastein fahren, um mir die Firma anzuschauen.« Klaus war selbst überrascht über seine Worte. Was tat er da?
»Ich werde die Schokolade testen. Vielleicht ist die Idee grandios: ein Joint Venture auf Basis einer Ehe.«
Klaus erlebte selten, dass sein Bruder schockiert war. Dies war einer dieser Momente.
»Welche Ehe?«
»Meine mit Frau Spatz. Die Kekspraline wird anlässlich unserer Hochzeit herauskommen.«
»Verstehe ich richtig? Du hast die Dame erst heute kennengelernt? Oder habe ich etwas falsch verstanden? Sie muss ein heißer Feger sein, wenn du in diesem Tempo eine Ehe in Erwägung ziehst. Aber bedenke, dass Aussehen nicht alles ist.«
Klaus lachte kurz. Doch dann wurde er ernst. »Sie ist hochintelligent, das wirst du beim Durchsehen dieser Mappe feststellen. Sie hat jedes Detail berücksichtigt.«
»Wahrscheinlich hat sie dafür ihre Leute.«
»Das denke ich nicht. So ein heikles Thema wird sie nicht mit einem Berater diskutieren. Sie war es, die mir die Ehe angeboten hat.«
»Ist sie scharf auf deinen Titel? Oder ist es das Geld?«
»Sie sieht die Vertriebsmöglichkeiten und unsere Verbindungen in Europa. Vermutlich ist da noch etwas, ich tippe auf Privates. Ich werde sie genauer befragen, bevor ich mich auf Glatteis begebe. Deshalb muss ich nach Salzburg und die Geschichte persönlich vor Ort abklären.«
Konstantin hatte Mühe, den Sachverhalt zu verarbeiten.
»Hast du ihr zugesagt?«
»Im Gegenteil! Ich habe sie hinausgeworfen.«
»Ah«, nickte Konstantin. »In deiner gewohnt charmanten Art!« Klaus beachtete ihn nicht.
»Aber dann habe ich ihre Ausführungen gelesen