von Alfred Bekker
© 1984 Alfred Bekker
Diese Erzählung erschien ursprünglich in der Anthologie 'Gefangen in Raum und Zeit', Hrsg. Axel Ertelt,1985
© 2012 der Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress
Ein CassiopeiaPress E-Book
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Nowak und Lupka hatten sich schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen.
Umso erstaunlicher war dieser unerwartete Besuch...
Unvermittelt hatte Nowak vor der Tür gestanden und (obwohl Lupka sich eines unguten Gefühls und nicht unbeträchtlicher Gewissensbisse keinesfalls erwehren konnte) natürlich war er eingelassen worden.
Schließlich hatten sie in der Vergangenheit einiges miteinander verbunden...
Beide kamen sie aus dem Osten.
Beide aus Schlesien.
Und beide hatten sie langjährig als Vertriebenenfunktionäre gedient – Lupka tat dies noch immer, Nowak nicht mehr.
"Etwas zu trinken?"
"Ja, gerne."
Sie setzten sich in Lupkas luxuriös ausgestattetes Wohnzimmer, aber trotz des guten Tropfens, der gereicht wurde, wollte die Verkrampfung von beiden nicht abfallen.
Unsichtbar lag da etwas zwischen ihnen, etwas aus der Vergangenheit und beide wussten wohl, was es war.
Aber sie hüteten sich zunächst, diese Sache anzusprechen.
"Ich habe dich lange nicht mehr gesehen, Franz", sagte Lupka.
"Das ist wahr", kam die lakonische Erwiderung.
Die Luft in diesen wunderschönen Wohnzimmer knisterte förmlich vor Spannung.
"Du hast unsere Versammlungen nicht mehr besucht."
"Ja."
"Gab es dafür einen Grund, Franz?"
Es gab einen.
Einen, außer der Tatsache, dass Nowak Lupka hatte aus dem Weg gehen wollen.
Es war Anfang der siebziger Jahre gewesen.
Nowak hatte Brandt gewählt, da er für die Ostverträge gewesen war.
Es hatte doch keinen Sinn mehr, dieses ständige Säbelrasseln, diese unvernünftige Beharren auf Rechtspositionen, die die normative Kraft des Faktischen längst zu grotesken Anachronismen hatte werden lassen...
Nowak hatte damals Brandt gewählt und sogar seine Mitgliedschaft in der CDU aufgekündigt – aber von be