Main Data
Author: Roland Lange
Title: Weihnachtsanektötchen - Spannende Geschichten aus dem Harz
Publisher: Edition CW Niemeyer
ISBN/ISSN: 9783827187314
Series: Weihnachtsanektötchen
Edition: 2
Price: CHF 2.60
Publication date: 09/10/2024
Content
Category: Gift books
Language: German
Technical Data
Pages: 96
Copy protection: Wasserzeichen
Devices: PC/MAC/eReader/Tablet
Formate: ePUB
Table of contents
Tief verschneite Wälder, pittoreske Städtchen und kleine, feine Weihnachtsmärkte. Schroffe Felsen, vereiste Wasserfälle. Tannenduft und Kerzenschein und am knisternden Kaminfeuer ein heißer Punsch. Der Harz - ein traumhaftes Winter-Weihnachts-Wunderland? #13; Weit gefehlt! Jenseits der Postkartenidylle spielen sich gerade zur Weihnachtszeit in dem Mittelgebirge wahre Dramen ab. Dort entfaltet die kriminelle Energie ihre ganze Wirkung. Ob die Blues Brothers im Rentierschlitten zum Brocken fliehen, drei heilige Königinnen einen Krippenbauer heimsuchen, oder ein vermeintliches Wildschwein sein Leben aushaucht - im Harz ist nicht erst zu Walpurgis der Teufel los! Und dann proben sogar die Weihnachtsgänse den Aufstand.

Roland Lange, Jahrgang 1954, lebt in der Nähe des Harzes in Katlenburg-Lindau. Er studierte in Hamburg Vermessungskunde und arbeitete als Vermessungsingenieur in den Katasterämtern in Göttingen und Osterode am Harz. Nebenher begann er zu schreiben: Romane, Liedtexte und Theaterstücke, seit 2010 auch Kriminalromane. 2014 beendete er seine Tätigkeit als Ingenieur und widmete sich ganz dem Schreiben. Roland Lange ist so etwas wie ein krimineller Botschafter des Harzes, denn auf seine Initiative fand 2011 das erste Mordsharz-Krimifestival statt. Seither gehört er zu den Organisatoren, die jedes Jahr im September hochkarätige deutsche und internationale Krimi-Autorinnen und -Autoren in den Harz einladen. Lange ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS), bei den 42er Autoren und im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur. Sie finden den Autoren im Internet: roland-lange-autor.de
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Mirror-Eggs oder: Tod eines Wildschweins

Irene Schrader war es leid. Einfach alles! Das Weihnachtsfest, das kurz bevorstand, die Kälte, den tiefen Schnee, die mondlose Nacht, denWeltWald vor den Toren Bad Grunds. Vor allen Dingen aber hatte sie endgültig die Nase von ihrem Scheiß-Ehegatten voll! Von Karl-Heinz Schrader, dem Tischler, den sie unten in der Bergstadt alle nur Eggs nannten. Weil er einmal, auf einer achttägigen Reise des Kegelklubs nach Irland, im Hotel zum Frühstück Spiegeleier bestellt hatte. Auf Englisch.

„Can I have Mirror-Eggs?“, hatte er doch tatsächlich gefragt und war sich ganz toll dabei vorgekommen. Eine Blamage! Eine Demütigung! Weniger für ihn, den unsensiblen Bock, der das Hohngelächter eher wie eine Auszeichnung aufgefasst hatte. Aber sie, die Frau an seiner Seite, hatte sich in Grund und Boden geschämt.

Als sie jetzt den Baum ächzend hinter sich her schleifte und bei jedem Schritt bis zu den Knien im Schnee versank, fragte sie sich, welches Kraut ihr damals, vor fünfundzwanzig Jahren, derart zu Kopf gestiegen war, dass sie sich widerstandslos von Eggs zum Traualtar hatte schleppen lassen. Sie wusste nicht, wie oft sie sich diese Frage in den zurückliegenden Jahren schon gestellt hatte. Hundert Mal? Tausend Mal? Es ging wohl eher gegen unendlich. Natürlich war es ihr immer wieder in den Sinn gekommen, sich von ihm zu trennen. Ihre Tochter war längst aus dem Haus. Geflohen mit sechzehn vor einem Haustyrannen und einer feigen Mutter, die nicht den Mumm besaß, ebenfalls ihre Siebensachen zu packen und das Weite zu suchen. Die ängstlich vor ihrem Mann spurte, die seine Wutausbrüche und Handgreiflichkeiten ertrug und ihn obendrein noch tröstete, wenn er reumütig angekrochen kam und um Verzeihung bettelte. Mehr als einmal hatte sie Fluchtpläne geschmiedet und es letztendlich doch nicht geschafft, sie in die Tat umzusetzen. Stattdessen kuschte sie, machte, was er von ihr verlangte. Wie jetzt, wenige Tage vor Heiligabend.

Das Weihnachtsfest war Eggs wichtig. Alles folgte einem strengen Ablauf und hielt sich an feste Rituale. Der Besuch der Christvesper und des Krippenspiels in der St.-Antonius-Kirche am Markt gehörten ebenso dazu wie Bockwurst mit Kartoffelsalat an Heiligabend und der Gänsebraten an den Feiertagen. Den größten Wert legte Eggs jedoch auf einen prächtigen Weihnachtsbaum. Mindestens zwei Meter fünfzig hoch musste er sein, von schlankem, geradem Wuchs, mit einem dichten, gesunden Nadelkleid. Keine billige Fichte, sondern ein edleres Gewächs. Ein Baum, wie man ihn nicht kaufen konnte, und wenn doch, dann nur für viel Geld – Geld, das Eggs nicht übrig hatte und das er ohnehin nie ausgab. Wozu auch? Die Wälder rund um Bad Grund standen voll mit den schönsten Bäumen. Er war der Meinung, dass sie nur auf ihn warteten, damit er sich einen von ihnen holte. Nachts, wenn die Stadt schlief und er sicher sein konnte, dass ihm niemand auf die Schliche kam. Ausgerüstet mit Axt, Bügelsäge und Strick fuhr er los. Und sie, Irene, musste mitkommen. Er brauchte sie für die Handlangerarbeiten, für das Buckeln und Schleppen. Eggs beschränkte sich auf das Fällen des Baums und gab ansonsten nur die Kommandos, denen sie still in sich hineinfluchend Folge leistete. So wie jetzt. Elende Dunkelheit! Scheiß-Kälte! Verfluchter Schnee! Vor allen Dingen aber: Eggs, du verdammter Drecksack! Ihre klammen Finger in den feuchten Handschuhen schmerzten. Keuchend kämpfte sie sich den Hang Meter um Meter nach oben.

Ausgerechnet ins Arboretum hatte er mit ihr marschieren müssen, in diesen Wald mit seinen exotischen Bäumen aus aller Welt. Eine kanadische Tanne hatte sich Eggs in den Kopf gesetzt, eine, die es so nur imWeltWald gab. Sie hatte nicht protestiert, sondern sich wie immer widerwillig in ihr Schicksal gefügt.

„Ich bringe ihn um“, brabbelte Irene leise vor sich hin, „irgendwann bringe ich ihn um.“<

 
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