Prolog
Königshof von Burgos,1058
Selbst in den entfernten Gemächern des Palas hörte man, dass im Innenhof der Burg ein Kampf im Gange war, der sehr heftig sein musste und dadurch nach und nach zahlreiche Zuschauer anlockte. Auch Ferdinand I., König von León, Kastilien und Galicien, gesellte sich mit seinem Besucher, der sein Halbbruder und zudem der König von Aragón war, zu den Schaulustigen. Von einem Bogenfenster des Palastes aus beobachteten die beiden Männer das Gefecht, das sich bereits seinem Ende zu nähern schien.
Zwei Knappen, beide mit Schwert und Schild ausgerüstet und zusätzlich durch Gambesons und Nasalhelme geschützt, kämpften mit einer Verbissenheit gegeneinander, als ob sie sich auf einem Schlachtfeld befänden und es wirklich um Leben und Tod ginge. Der Waffenmeister, der sie gewöhnlich anleitete und trainierte, war zur Seite gewichen und beobachtete seine beiden Schützlinge ebenso aufmerksam wie die beiden königlichen Prinzen Sancho und Alfonso. Die Söhne Ferdinands standen allerdings nicht beieinander, sondern jeder in gebührendem Abstand hinter einem der beiden Streiter, den sie mit lauten Zurufen anfeuerten. Offenbar trugen hier zwei ihrer Knappen einen Zweikampf aus, der mehr war als nur ein Übungsgefecht. Wohl eher ein Stellvertreterkrieg, wie ihn im Ernstfall die Bannerträger für ihre Könige führten. Es war am Hofe nämlich allgemein bekannt, dass die beiden königlichen Sprösslinge einander keineswegs in brüderlicher Liebe zugetan waren, sondern in ständiger Rivalität zueinander standen, die durchaus über bloße Wortgefechte hinausging und zu Handgreiflichkeiten führen konnte.
Hier nun allerdings vor vielen Zuschauern schien Sanchos Streiter mittlerweile die Oberhand zu gewinnen. Sein Hieb mit der abgestumpften Übungswaffe auf den Schild seines Gegners war so heftig, dass dieser sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, strauchelte und zu Boden ging. Sofort war sein Kontrahent über ihm, trat dem Unterlegenen das Schwert aus der Hand und setzte ihm sein eigenes an die Kehle.
Der Kampf war nur kurz gewesen und sein Ausgang eindeutig. In einem richtigen Gefecht wäre der im Staub Liegende jetzt tot gewesen, aber da es sich nur um ein Übungsgefecht unter Knappen gehandelt hatte, kam der Unterlegene mit dem Schrecken davon. Der Sieger des Zweikampfes streckte seinem Gegner die Hand entgegen, um ihm auf die Beine zu helfen, doch dieser schlug sie wütend zur Seite. Ächzend erhob er sich und blickte sich nach seinem Dienstherrn Alfonso um, doch dieser hatte den Kampfplatz bereits ohne ein aufmunterndes Wort an seinen Knappen verlassen.
Ganz anders Sancho, der seinem Streiter anerkennend auf die Schulter klopfte und dem jungen Mann offensichtlich freundschaftlich zugetan war, denn das Lächeln und die Freundlichkeit seiner Worte gingen weit über das normale Maß zwischen Knappen und Dienstherren hinaus.
»Wer ist das?«, wollte Ramiro von seinem Halbbruder wissen und wies mit der Hand in den Burghof hinab auf den siegreichen Streiter.
»Das ist Rodrigo Díaz de Vivar, den sie schon jetzt el Campeador, den Kämpfer, nennen«, klärte Ferdinand seinen Gast auf. »Bereits heute ist er in Zweikämpfen mit jedweder Waffe nahezu unbesiegbar und dabei noch nicht einmal zum Ritter geschlagen worden! Ich glaube ganz fest, dass der Junge aus dem Holz gemacht ist, aus dem auch die legendären Recken in alten Zeiten geschnitzt waren.«
Ramiro nickte zustimmend mit dem Kopf.
»Wohl wahr. Dabei ist er nicht einmal übermäßig breitschultrig und auch kein Hüne von Gestalt. Aber selten habe ich jemanden gesehen, der das Schwert einerseits so meisterlich, andererseits aber auch so gnadenlos führt wie er. Wer sind denn seine Eltern, und wie ist er an deinen Hof gekommen?«
»Sein Vater war Diego Laínez, einer meiner besten Ritter, der bedauerlicherweise vor Kurzem in einem Gefecht gegen die Streifscharen meines Neffen Sancho von Navarra gefallen ist«, gab Ferdinand bereitwillig Auskunft. »Deshalb fühlte ich mich auch verpflichtet, seinen Sohn hierher an den Hof zu holen, und lasse ihm nun eine angemessene Ausbildung angedeihen. Seine Mutter, Teresa Rodríguez, stammt aus altem, kastilischem Adel und führt ihre Abstammung bis auf den Helden Pelayo zurück, der als Erster aus den Bergen Asturiens heraus vor mehr als dreihundert Jahren den Kampf gegen die Mauren aufgenommen hat. Ihr Vater verwaltet für mich mehrere Burgen im Grenzgebiet zu den Taifa-Königreichen im Osten und ist mir treu ergeben. Je stärker ich diese einflussreiche Familie an mich binden kann, desto besser«, meinte der König, und ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen.
Ramiro sah es wohl und wusste es auch zu deuten, bekämpften