Nürnberg, 1534
Über dem Hauptportal der Kirche »Zu Unserer Lieben Frau« thronte die Statue Kaiser Karls IV. Wie jeden Tag zur Mittagsstunde öffneten sich nach dem Schlagen der Stundenglocke die beiden Türen links und rechts der vergoldeten Kupferstatue, und die sieben Kurfürsten traten heraus. Sie zogen dreimal um den goldenen Kaiser herum, der grüßend sein Zepter bewegte. Das technische Wunderwerk wurde von den Nürnbergern liebevoll »Männleinlaufen« genannt, doch nur die wenigsten schenkten dem Schauspiel besondere Beachtung.
Emilia Baumgart hatte sich das Spektakel angesehen und widmete ihre Aufmerksamkeit nun wieder dem bunten Treiben am Platz rund um den Schönen Brunnen mit seinen vierzig bunt bemalten und vergoldeten Figuren. Vorsichtig hielt sie den Einkaufskorb dicht an ihren Körper gepresst, damit ihr Einkauf nicht den gierigen Händen flinker Diebe zum Opfer fiel. Immer unverfrorener waren die Methoden der Burschen, die sich zu kleinen Banden zusammenrotteten, um noch hinterhältiger agieren zu können. Erst letzte Woche hatte einer von ihnen Emilias Schwester Barbara ein saftiges Stück Beinschinken und eine große Ecke Käse aus dem Korb stibitzt. Tagelang hatte die kleine Familie sich mit einfachem Hirsebrei zufriedengeben müssen. Emilia sehnte sich danach, endlich wieder etwas Würzige