: Samuel R. Delany
: Das Einstein-Vermächtnis Roman
: Memoranda Verlag
: 9783910914179
: Carcosa
: 1
: CHF 14.90
:
: Science Fiction
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In einer weit entfernten Zukunft gelten die Gesetze von Raum und Zeit nicht mehr, und auf der Erde haben sich Geschöpfe angesiedelt, die uns Menschen nur auf den ersten Blick ähnlich sehen. Lobey ist einer von ihnen: Selbst ein begnadeter Musiker, kann er die Musik im Geist der anderen hören. Als er die eigenwillige, anscheinend taubstumme Friza kennenlernt, glaubt er eine Seelenverwandte gefunden zu haben. Doch dann wird Friza getötet, und Lobey zieht aus, um sie zu rächen - und vielleicht gar aus dem Reich der Toten zurückzuholen. Der zweite Band der Werkausgabe dieses außergewöhnlichen Autors; ein Roman von überwältigender Ideenvielfalt und großer sprachlicher Kraft.

Samuel R. Delany (*1942) ist Autor und Literaturwissenschaftler. Sein Roman Dhalgren (1975) zählt zu den Klassikern der Science Fiction, und mit dem Nimmèrÿa-Zyklus (1979-1987) begründete er die postmoderne Fantasy-Literatur. 2010 war er Mitglied der fünfköpfigen Jury des National Book Award. Er schrieb zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Comics, Essays und Pornos ? aber keine Gedichte.

Es flämmert (lösch, lisch), unser ganzes Funoptikum.

James Joyce,Finnegans Wake

Indessen habe ich mich noch nicht abschließend da­rüber geäußert, ob jede Täuschung der Sinne der des Geistes mit dem Begriff Wahnsinn zu bezeichnen ist..

Erasmus von Rotterdam,Das Lob der Torheit

In meiner Machete verläuft, vom Griff bis zur Spitze ein hohler, durchlöcherter Zylinder. Wenn ich über das Mundstück am Griff blase, mache ich mit meiner Klinge Musik. Wenn alle Löcher bedeckt sind, klingt sie traurig, so rau – wie ein Ton eben sein darf, úm ihn gerade noch als sanft zu bezeichnen. Wenn alle Löcher offen sind, erklingt ein helles Pfeifen, wie das Schillern von Sonnenlicht auf Wasser, von zerdrücktem Metall. Zwanzig Löcher gibt es. Und seit ich musiziere, wurde ich in so ziemlich jeder Hinsicht ein Narr gescholten – öfter jedenfalls, als die Leute Lobey zu mir sagen, mein eigentlicher Name.

Wie ich aussehe?

Hässlich, und meistens grinse ich. Eine große Nase und graue Augen und ein breiter Mund drängen sich auf einem kleinen braunen Gesicht, das eher zu einem Fuchs passen würde. Das, und darum herum Haare wie hingekritzelt aus gesponnenem Messing. Etwa alle zwei Monate hacke ich mir mit meiner Machete das meiste davon ab. Wächst schnell wieder nach. Was seltsam ist, weil ich dreiundzwanzig bin und noch keinen Bart habe. Ich habe die Form eines Kegels, die Schenkel und Füße eines Mannes (Gorillas?) von doppelter Größe (ich bin etwa einsfünfundsiebzig) und dazu passende Hüften. Im Jahr meiner Geburt gab es Unmengen von Hermaphroditen, und die Heiler meinten, ich sei vielleicht auch einer. Irgendwie bezweifle ich das.

Hässlich, wie schon gesagt. Die Zehen an meinen Füßen sind fast so lang wie meine Finger, und die großen Zehen lassen sich halbwegs wie Daumen verwenden. Auf diese Füße lasse ich nichts kommen: Einmal habe ich Klein-­Jon damit das Leben gerettet.

Wir sind die Beryllwand hochgeklettert und dabei immer wieder an dem glasigen Gestein abgerutscht, als Klein-­Jon den Halt verlor und nur noch an einer Hand hing. Ich hing selbst an den Händen, streckte aber meinen Fuß nach unten, packte ihn am Handgelenk und zog ihn hoch, um ihn abzusetzen.

An dieser Stelle verschränkt Lo Falke die Arme über der Lederweste, nickt weise, sodass sein Bart auf seinem sehnigen Hals auf und ab wippt, sagt: »Und was hattet ihr beiden jungen Lo-­Männer überhaupt an der Beryllwand zu suchen? Dort ist es gefährlich, und du weißt, dass wir Gefahren meiden. Die Geburtenrate fällt immer weiter. Wir können es uns nicht leisten, unsere produktiven jungen Leute wegen solcher Dummheiten zu verlieren.« Natürlich fällt sie nicht. Lo Falke sagt das nur so. Er meint lediglich, dass die Anzahlabsoluter Norms heruntergeht. Geburten gibt es haufenweise. Lo Falke stammt aus einer Generation, in der die Zahl der Nicht-­Funktionsfähigen, der Idioten, Mongoloiden und Kretins fünfzig Prozent weit überstieg. (Wir hatte