Eine Bekanntschaft aus der Vergangenheit
Sonntag, 28. Oktober 2012
23.00 Uhr
Königswinter, Finsterwald
Stunden waren vergangen, seitdem Maggy, Will, Joe und Rumpelstein aufgebrochen waren, um die Erdenmutter aufzusuchen. Sie war die Einzige, die Eva vielleicht nicht nur ihre Erinnerung, sondern auch ihr Augenlicht zurückgeben konnte, das ihr von der bösen Königin genommen worden war. Es hieß, dass die Liebe einer Mutter grenzenlos sei. Galt das auch für Freya? Was liebte sie mehr – ihre Schöpfung oder ihr einziges Kind?
Die Ungewissheit war quälend, aber Eva, Arian, Nisha und Simonja blieb nichts anderes übrig, als auszuharren.
Bis wann?, fragte Simonja sich immer wieder.Wie lange warten wir, bis wir akzeptieren, dass die anderen nicht zurückkommen werden?
Sie wagte es nicht, ihre Zweifel laut auszusprechen, da sie den anderen nicht die Hoffnung nehmen wollte. Aber insgeheim vermutete sie, dass es ihnen nicht anders ging, denn sie schwiegen alle.
Es war ein langer Weg bis zu dem Kloster, in dem die Erdenmutter in dieser Welt residierte, dennoch müssten ihre Freunde bald zurückkehren, wenn alles gut ging.
Die Nacht hatte sich über den Finsterwald gelegt, sodass Simonja alles um sich herum nur noch schemenhaft erkennen konnte. Das war mehr, als Eva sehen konnte. Simonja spähte zu dem völlig verängstigten Mädchen, das auf dem Bett kauerte und so tat, als ob es schlafen würde. Seine unruhige Atmung verriet es jedoch. Für Eva machte es keinen Unterschied, ob sie die Augen geschlossen oder offen hatte – ihre Welt blieb dunkel. Wie entsetzlich es sein musste, wenn einem so viel Unheil angetan wurde und man nicht einmal den Grund dafür kannte.
Arian hatte sich bereit erklärt, die Wache zu übernehmen, und sich dafür auf der Fensterbank niedergelassen. Er ließ seinen Blick über den Wald gleiten, aber jener wurde immer wieder von dem Mond angezogen, der hin und wieder zwischen den Wolken am Himmel aufblitzte. Es war nicht Lavena, sondern eine ihrer Schwestern, dennoch glühte Sehnsucht in Arians goldenen Augen. Sein Herz heulte wie ein Wolf, während seine Lippen verschlossen blieben.
Simonja konnte es nur schwer ertragen, ihn leiden zu sehen, aber es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Ihr blieb nur die Gewissheit, dass er sich für das Leben entschieden hatte – ein Leben mit ihr.
Ohne Nisha wäre Simonja jetzt wahrscheinlich tot. Wenn ihre Mutter nicht in der Nacht des Spiegelballs zurückgekehrt wäre, hätten die Geister der Toten Simonja umgebracht. Sie sollte Dankbarkeit empfinden, stattdessen quälte sie ihre Unwissenheit. Wo war Nisha die letzten Tage gewesen? Warum war sie früher von ihrer angeblichen Fortbildung zurückgekommen? Seit wann konnte sie sich an ihre Vergangenheit in Engelland erinnern?
»Du schuldest mir eine Erklärung«, raunte Simonja ihrer Mutter zu, die nicht weit von i