: Voltaire
: Ingrid Gilcher-Holtey
: Die Affäre Calas Über die Toleranz
: Insel Verlag
: 9783458771036
: 1
: CHF 27.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 296
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Als Voltaire 1778 starb, verweigerte man ihm ein Grab in seiner Geburtsstadt Paris: Er hatte in seinen literarischen und philosophischen Schriften den Kampf gegen die Doppelmacht von Monarchie und (katholischer) Kirche mit radikalster Konsequenz geführt. Während der Französischen Revolution, im Juli 1791, wurde sein Sarkophag dann im Triumphzug ins Panthéon gebracht. Zu den »Unsterblichen« erklärt wurde dadurch der Streiter für Recht und Gerechtigkeit - und als erstes unter seinen Verdiensten rangierte sein Eintreten für Jean Calas. Dieser hugenottische Kaufmann aus Toulouse wurde 1761 zum Tode verurteilt, weil man ihn fälschlicherweise des Mordes an seinem Sohn bezichtigt hatte: Das Motiv dafür war angeblich dessen beabsichtigter Übertritt zur katholischen Kirche.
Durch seine Flugschriften, Pamphlete und Denkschriften, Briefe an Minister und Richter gelingt es Voltaire, die Rehabilitierung von Jean Calas zu erreichen. In Deutschland ist diese Leistung Voltaires bisher kaum gewürdigt worden.
Durch die vorliegende Zusammenstellung der wichtigsten Stellungnahmen Voltaires (neben derAbhandlung über die Toleranz die zahlreichen Pamphlete und Briefe des Autors) zur Aufklärung eines Justizskandals wird zum ersten Mal der Intellektuelle Voltaire im deutschen Sprachraum prototypisch und detailliert vorgestellt - und damit der erste europäische Intellektuelle überhaupt, der deren späteren Interventionensmuster vorzeichnet.



Voltaire (1694-1778) war einer der einflussreichsten französischen Philosophen. Mit seinen Werken zur Vernunft und zur Toleranz bereitete er den Weg für die Französische Revolution. Er gilt als der bedeutendste Protagonist der europäischen Aufklärung.

I. BRIEFE

AN KARDINAL FRANÇOIS-JOACHIM DE PIERRE DE BERNIS

Ferney, 25. März 1762

Gestatten Sie, Monseigneur, daß dieser alte Tintenkleckser Ihnen sehr aufrichtig für das Vergnügen dankt, das er gehabt hat. Ohne Eure Hilfe, ohne Eure Ratschläge, wäre mein sechstägiges Werk immer noch im Durcheinander. Gestatten Sie, daß ich Ihrer Eminenz die kleine historische Erzählung zur Lektüre unterbreite, die ich dem Grafen von Villars gesandt habe. Wenn Sie sie gelesen haben werden, falls Sie denn solches Zeug zu lesen geneigt sind, wird ein wenig Wachs unter dem Siegel eines Ihrer Sekretäre das Paket der Post würdig machen. So sind die seltsamen Unterhandlungen, die ich Ihnen anvertraue.

Alle Ihre Ratschläge sind mir von Nutzen, ich lasse es mir gutgehen, vielleicht ein wenig zu gut, denn es paßt nicht zu mir, für zweihundert Personen ein Souper zu veranstalten. Ich besaß diese Frechheit.Nota bene, hatten wir zwei schöne vergitterte Logen. In Arques haben wir gekämpft, wo war der tapfere Crillon? Warum war er in Montélimar?

Wünschen Sie, falls Sie sich zu amüsieren gedenken, daß ich IhnenLe Droit du Seigneur zusende?1 Es ist heiter und von lauterer Gesinnung; man kann diese Kleinigkeit einem Kardinal zusenden. Ich sage nicht, allen Kardinälen, Gott behüte:Pauci quo