Kapitel 1
Großtante Lucille hat immer gesagt, das Leben sei verworrener als der Miskwimin River, was Eve Abbott zwar als süße Metapher, aber letztlich nichtssagend abgespeichert hatte.Niemandes Leben war verworrener als der Miskwimin River. Auf seinem Weg runter zur Bucht von Moonflower Bay machte der Fluss so viele verwinkelte Kurven, dass sich Touristen ständig auf der Strecke verirrten. Das galt allerdings auch für Einheimische, die in Lawson’s Lager House einen zu viel getrunken hatten. In einer Sekunde lag der Fluss hinter einem, und in der nächsten,bäm, taucht er direkt vor einem wieder auf. Man konnte sich nur noch am Kopf kratzen und fragen: »Habe ich das Ding nicht gerade erst überquert?«
Man müsste also quasi in einer Seifenoper leben, um ein derart verworrenes Leben zu haben. Eves Leben war ganz sicher nicht wie eine Seifenoper. Wenn man mal bei der Fluss-Metapher bleiben wollte, war ihr Leben ein ruhiger, gerader Kanal. Ein künstlich angelegter Kanal, der sich, so weit das Auge reichte, als verblüffend gerade Linie vor einem erstreckte. Eves Leben war hart erkämpft. Vorhersehbar. Nichtverworren. Nicht einmal leicht gekrümmt.
Lucilles Leben dagegen war sehr wohl verworren gewesen, und für die meisten der Kurven war sie selbst verantwortlich gewesen. Zum Beispiel, als Eves Vater – Lucilles Neffe – vorschlug, dass Lucille in Rente gehen sollte, das Inn verkaufen und in ein Altenheim ziehen könnte, weil er das Gefühl hatte, dass sie »es ruhiger angehen« sollte. Ihre Antwort darauf war, mit zweiundsiebzig Jahren plötzlich ihren Führerschein zu machen.
Lucille muss also gedacht haben, dass Eves Leben ein paar mehr Kurven und Abzweigungen vertragen könnte. Bis vor ein paar Tagen führte Eve das gemütliche Leben ihrer Träume in Toronto