: Markus Herrmann
: Meine Sommer mit Nietzsche - Die Erinnerungen der Sibylle von Rathingen an ihre Begegnungen mit dem Philosophen - Historischer Roman
: Verlag DeBehr
: 9783957537447
: 1
: CHF 4.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 286
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das junge Fräulein von Rathingen ist fasziniert, als sie von diesem Nietzsche hört. 'Gott ist tot und wir haben ihn umgebracht und die Kirchen sind nur noch Grabmäler Gottes', so sagt er. Seine Aussagen erzürnen die Kirchenoberen, auch Pastoren sind beunruhigt, er provoziert die Gesellschaft. Diesen interessanten Mann möchte Fräulein von Rathingen treffen. Sie muss ihn überzeugen, dass er sich irrt, ist sie doch selbst Philosophin. Sils-Maria wird der Ort ihrer Zusammenkünfte werden. Eine faszinierende Freundschaft entsteht. Mit viel Detailfreude und historisch fundiert lässt Markus Herrmann den großen Philosophen zu Wort kommen. Eine fesselnde Hommage an Friedrich Nietzsche.

 

I. Kapitel

 

Schon manche haben es unternommen, zu berichten von den Ereignissen, die sich unter uns zugetragen haben und das Leben und die Werke Friedrich Nietzsches betreffen. Seine Bücher, die er in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschaffen hat, gehen ihren Weg durch die Hände der Gebildeten, in die Stuben der Gelehrten, die Köpfe der Künstler und auch in die Regale der einfachen Leute, die sich mit geistigen Dingen abgeben. Und sein Leben erforschen schon manche und suchen die Spuren des Kometenphilosophen, wie sie ihn nennen, denn er erschien als ein Himmelszeichen, das eine neue Zeit ankündigt. Und so verstehen es auch seine Leser, die in diesem Jahr 1910, in dem ich diese Zeilen schreibe, eine Dekade nach seinem Ableben, längst an die Tausende zählen und immer mehr werden.

Doch er war auch der Einsiedler von Sils-Maria, wie er sich selbst nannte, siebenmal kam er im Sommer in die Hochalpen ins Engadin, um dort einsame Wanderungen zu unternehmen, sich dabei Notizen zu machen und in seiner Schreibstube an seinen Werken zu arbeiten. Nur manchmal fuhren Besucher zu ihm herauf, die den kauzigen Philosophen sprechen wollten und sich um ihn bemühten. Er selbst hatte noch Fäden in die alte Heimat nach Naumburg in Sachsen, wo seine Familie lebte, seine Mutter und seine Schwester, die ihm manchmal Essenspakete schickten, mit Würsten, Speck und anderen Köstlichkeiten und Briefe beilegten voller Sorgen um den Sohn und Bruder. Sein Vater war schon mit 36 Jahren gestorben an einer Hirnerkrankung und auch er steckte sich, wie wir inzwischen wissen, bei seinen wenigen Sexualkontakten mit Prostituierten während eines Italienaufenthaltes 1876/77 mit der Syphilis an, die schließlich seine geistige Umnachtung verursachte, an der er noch elf Jahre litt, bevor zu seinem Gott und Vater heimging. Ihm hatte er abgeschworen in seinem Leben und in seinen Werken.

Aber ich bin mir sicher, wer so mit seinem Gott ringt, dann wird ihm am Ende die ewige Freude zuteil, mögen die Leute reden, was sie wollen über den Gottesleugner und Propheten des Atheismus und was dergleichen Etiketten mehr sind.

Nun wird der geneigte Leser wissen wollen, wer es ist, der diese Aufzeichnungen verfasst hat. Mein Name ist Sibylle von Rathingen, ich stamme aus Frankfurt am Main, habe in Zürich promoviert im Fach Philosophie als eine der ersten Frauen in Europa, wie es dort noch manch andere meiner Geschlechtsgenossinnen getan haben. Und ich lernte damals in den 80er Jahren auch Lou Salomé kennen, die zeitweilige Freundin des Philosophen, die 17 Jahre jünger war als er und aus Russland kam und schon von sich reden gemacht hat als Schriftstellerin. In „Im Kampf um Gott“ gestaltete sie die Hauptfigur Kuno nach Friedrich Nietzsche. Dieser Mann im Roman findet die einzig würdige Haltung in der trotzigen Hinnahme des Schicksals – amor fati, wie der Lateiner sagt. In dieser Geisteshaltung findet er Erfüllung und Freude. Dieser Roman, noch zu Lebzeiten des Philosophen erschienen, fand Gefallen bei der Literaturkritik und auch ihre spätere Liaison mit dem Dichter Rainer Maria Rilke sorgte in Kunstkreisen für Aufsehen.

Sie begegnete Nietzsche zum ersten Mal ausgerechnet im Petersdom zu Rom, wo der Philosoph sie mit den berühmten