KAPITEL EINS
Es war erstaunlich, wie schnell sich Kate Wises Einstellung änderte. Während ihres ersten Jahres in Rente hatte sie gärtnern gehasst. Gärtnern, stricken, Bridge Clubs – selbst Buchclubs – waren ihr zuwider. Das waren die typischen Klischees dessen, was pensionierte Frauen taten.
Aber die Monate, seit sie „wieder im Sattel saß“, hatten etwas verändert. Sie war nicht so naiv zu glauben, dass sie nunmehr eine andere Person war. Nein, es hatte sie einfach belebt. Sie hatte wieder eine Aufgabe, einen Grund, sich auf den nächsten Tag zu freuen.
Vielleicht war es deshalb für sie in Ordnung, sich die Zeit mit gärtnern zu vertreiben. Es war nicht entspannend, wie sie es sich vorgestellt hatte. Wenn überhaupt, dann erfüllte es sie mit Ungeduld. Warum die Zeit und Energie investieren, etwas zu pflanzen, wenn man gegen das Wetter arbeitete, um die Pflanze amLeben zu halten. Trotzdem erfüllte es sie irgendwie mit Freude – etwas zu pflanzen und es gedeihen zu sehen.
Sie hatte mit Blumen begonnen – mit Stiefmütterchen und Bougainvilleas. Dann hatte sie rechts hinten in der Ecke ein Gemüsegärtchen angelegt. Hier schaufelte sie gerade Erde über eine Tomatenpflanze und dachte darüber nach, dass sie keinerlei Interesse am gärtnern gehabt hatte, bevor sie Großmutter geworden war.
Sie fragte sich, ob es mit dem hegenden und pflegenden Charakterzug zu tun hatte. Von Freunden und aus Büchern wusste sie, dass das Großmuttersein neues in einem hervorbringen konnte – dass man dies als Mutter nicht nachempfinden konnte.
Ihre Tochter Melissa bescheinigte ihr, eine gute Mutter zu sein. Diese Bestätigung tat ihr hin und wieder gut, vor allem in Lichte dessen, wie sie ihre Karriere zugebracht hatte. Zugegebermaßen war ihr ihre Karriere viel zu lange wichtiger gewesen als ihre Familie und sie war froh, dass Melissa sie deshalb niemals verachtet hatte, abgesehen von einer Zeit nach dem Verlust ihres Vaters.
Das ist das Negative am gärtnern, dachte Kate, als sie aufstand und sich Hände und Knie abklopfte.Die Gedanken wandern. Und dann kommt einem die Vergangenheit wieder hoch.
Sie durchquerte den Garten ihres Hauses, das in Richmond, Virginia, stand und betrat ihre hintere Veranda. An der Hintertür stieg sie sorgfältig aus ihrem mit Erde beschmierten Gartenarbeitsschuhen heraus, legte ihre Handschuhe daneben, damit sie keinen Schmutz ins Haus trug. Die letzten zwei Tage hatte sie mit Hausputz zugebracht. Heute Abend babysittete sie ihre Enkelin Michelle, und obwohl Melissa keinen Sauberkeitsfimmel hatte wollte Kate das Haus blitzsauber haben. Es war fast dreißig Jahre her, seit sie sich in Gesellschaft eines Babys befunden hatte und wollte kein Risiko eingehen.
Sie blickte auf die Uhr und verzog das Gesicht. In fünfzehn Minuten erwartete sie Besuch. Das war noch etwas, was ihr am gärtnern nicht gefiel; dass einem die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt.
Im Bad machte sie sich frisch und setzte dann in der Küche frischen Kaffee. Er war halb durchgelaufen, als es an der Haustür klingelte. Sie öffnete sofort und freute sich, die beiden Frauen zu sehen, mit denen während der letzten anderthalb Jahre mindestens zweimal die Woche einige Stunden verbrachte.
Jane Patterson trat zuerst ein, in der Hand ein Tablett mit Kuchen. Ihre Kuchen waren selbstgebacken, und Jane hatte nun schon zweimal hintereinander den Carytown Cooks Wettbewerb gewonnen. Hinter ihr trat Clarissa James mit einer großen Schüssel voll frischem Obst ein. Beide trugen sie Outfits, die gut zu einem Brunch bei einer Freundin oder zum Shoppen passten, etwas, womit sie einiges an Zeit verbrachten.
„Du hast wieder gegärtnert, oder?“, meinte Clarissa, als sie ihr Essen auf der Kücheninsel abstellte.
„Woher weißt du das?“, fragte Kate.
Clarissa w