: Daniel Huhn
: Rückeroberung Die Geschichte von Manfred Gans, der im Mai 1945 Deutschland durchquerte, um seine Eltern aus dem KZ zu befreien
: Hoffmann und Campe Verlag
: 9783455013207
: 1
: CHF 9.90
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
 Die wahre Geschichte einer unglaublichen Reise durch ein zerstörtes Land   Eine unglaubliche, wahre Geschichte: Direkt nach Kriegsende im Mai 1945 setzt sich an der Nordseeküste ein junger britischer Soldat in einen Jeep und fährt los: quer durch seine ehemalige Heimat, die jetzt in Trümmern liegt - um seine Eltern aus dem KZ Theresienstadt zu holen.   1938 beschließen Manfreds Eltern, dass das Leben für ihn als Juden in Deutschland nicht mehr sicher ist. Sie schicken ihren Sohn nach England, schaffen es selbst aber nicht mehr zu fliehen. Sieben Jahre später kehrt Manfred zurück: Als Teil der legendären 'Three Troop'  landet er am D-Day in der Normandie. Kurz darauf steht er in den zerstörten Straßen seiner alten Heimat Borken in Westfalen. Er beginnt eine beschwerliche Reise, vorbei an fliehenden Deutschen, durch sowjetische Militärsperren hinein ins Niemandsland des Erzgebirges bis zum KZ Theresienstadt, wohin seine Eltern verbracht wurden.    Dieses Buch ist ein beispielloser Bericht über Deutschland unmittelbar nach der Kapitulation, eine lang verdrängte Lebensgeschichte und eine unerwartete Liebe.    

Daniel Huhn, geboren 1985, studierte Geschichte und Politik. Er ist Autor zahlreicher Filme und Hörfunkfeatures, in denen er sich vorwiegend mit historischen Themen sowie Migrationsgeschichten beschäftigt. 2016 begab er sich mit den Nachfahren der Familie Gans auf die Route, die Manfred Gans mehr als 70 Jahre zuvor genommen hatte. Daraus entstand der Dokumentarfilm Back to Borken sowie ein Audible Original Podcast über die Reise von Manfred Gans.

Zeitenwende


Der30. Januar1933 ist ein nasskalter Tag in Borken. Else sitzt mit ihren drei Kindern am Mittagstisch, das Radio läuft im Hintergrund. Plötzlich unterbricht der Nachrichtensprecher das laufende Programm. Der Ansager verkündet, dass ihm gerade eine Nachricht hereingereicht worden sei: Reichspräsident Hindenburg habe Adolf Hitler zum Reichskanzler berufen. Für Familie Gans wie für viele Millionen Menschen im Land kommt die Nachricht nicht völlig überraschend. Dennoch ist Else wie versteinert. Manfred, damals zehn Jahre alt, versteht ihre plötzliche Untergangsstimmung noch nicht. Als er in den folgenden Tagen in der Schule jedoch erlebt, welchen Jubel die Ernennung Hitlers unter einigen seiner Klassenkameraden auslöst, ahnt er, dass ihm eine schwere Zeit bevorsteht. Einen ersten Eindruck davon bekommt er schon wenige Wochen später.

Nach wochenlangen Vorbereitungen schwärmen am1. April1933 um Punkt zehn Uhr im ganzen Land junge Männer der Sturmabteilung (SA) aus und positionieren sich und ihre Kampfparolen vor jüdischen Geschäften, Kanzleien und Arztpraxen: »Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!« steht auf ihren Schildern. Auch wenn der Einkauf in den jüdischen Geschäften (noch) nicht verboten ist, versuchen die Nationalsozialisten durch sozialen Druck den Betrieb der jüdischen Geschäfte zu stören. Die Uniformierten mahnen, beschimpfen und bedrohen Kunden, die ihrem Aufruf nicht folgen wollen.

 

Schon im Kaiserreich und auch noch während der Weimarer Republik ließen Polizei und Justiz antisemitische Hetzer oft tatenlos gewähren. Nun aber sind die Aktionen vom Staat verordnet.

Die Presse in Großbritannien und denUSA hat bereits seit der Machtübernahme Hitlers die Maßnahmen der Nationalsozialisten aufmerksam und kritisch verfolgt. Erste Stimmen, die den Deutschen mit Handelsboykotten drohen, wurden schon kurz nach der Machtübernahme laut. Hitler ist wütend und macht eine Verschwörung des internationalen Judentums dafür verantwortlich. Seine Vergeltung lässt nicht lange auf sich warten und mündet dann in jenen sogenannten Reichsboykotttag am1. April1933.

 

In Borken positionieren sich vor dem Kaufhaus der jüdischen Familie Heymans die Braunhemden derSA. Manfred ist an diesem Tag in der Schule. Obwohl er und seine Brüder orthodox leben, müssen sie auch am Samstag zum Unterricht. Ihre Bücher bringen sie schon am Vortag zur Schule, da sie am Schabbat selbst nichts tragen wollen. Ihre Lehrer gestehen ihnen sogar zu, dass sie am Schabbat nicht schreiben müssen. An diesem Tag aber kommt es anders. Um kurz nach elf Uhr steht plötzlich Manfreds Klassenlehrer Heinrich Tinnefeld in der Tür und bittet ihn und die drei weiteren jüdischen Mitschüler, kurz auf den Flur zu kommen. Dort verkündet er ihnen, dass sie die Schule unverzüglich verlassen sollen, da er nicht für ihre Sicherheit garantieren könne. Also gehen Manfred, seine Brüder und die anderen jüdischen Mitschüler nach Hause, wo sie auf verblüffte Eltern treffen. Die Nachricht, dass man die Sicherheit der Schüler in der eigenen Schule nicht mehr gewähren könne, macht Manfreds Vater wütend. Er lässt seine guten Beziehungen spielen und ringt dem Schulleiter das Versprechen ab, dass die jüdischen Schüler zukünftig ohne Bedenken am Unterricht teilnehmen können. Manfred, Karl und Theo besuchen also wieder die Schule, wo sie nun jedoch endgültig zu Außenseitern geworden sind. Die drei Brüder und die verbliebenen sechs jüdischen Mitschüler fassen daher einen Entschluss: Fortan wollen sie sich konsequent von den nicht-jüdischen Schülern auf dem Schulhof fernhalten. Sie finden, dass die selbstbestimmte Abgrenzung leichter zu ertragen ist, als wenn sie bloß abwarten, bis die anderen Schüler sie ausgrenzen oder die S