: Maya Shepherd
: Unterhalb des Horizonts
: tolino media
: 9783739496825
: 1
: CHF 2.40
:
: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 155
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Vergessenen Sieben hatten zueinander gefunden, um einen Krieg zu verhindern, doch nun musste jeder von ihnen sich seinem eigenen Kampf stellen. Ihre Herzen blieben miteinander verbunden und erst wenn jedes von ihnen aufhörte, zu schlagen, wäre alles verloren. Als das Mondmädchen sein Licht bei Tag erstrahlen ließ, weckte es den Hass der Sonne, die daraufhin drohte, die Erde zu verbrennen. Es gab nur einen Weg, um sie aufzuhalten. Sonne und Mond mussten einander an dem einzigen Ort begegnen, an dem dies möglich war: unterhalb des Horizonts. »Ich werde nicht kampflos untergehen«, schwor Lavena sich. »Es ist an der Zeit, dass Sonne und Mond Frieden miteinander schließen.«

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Kindern und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren. 2019 gewann Maya Shepherd mit den Grimm-Chroniken den Skoutz-Award in der Kategorie Fantasy.

Verborgen


Donnerstag, 25. Oktober 2012

20.30 Uhr

Königswinter, Finsterwald

Zuerst versuchte Maggy gar nicht, sich zurückzuverwandeln, weil sie sich in dem winzigen Körper der Spinne sicherer fühlte. Das Gras ragte über sie wie Hochhäuser und machte sie dadurch beinahe unsichtbar. Sie konnte noch nicht ganz glauben, dass Vlad Dracul sie wirklich hatte gehen gelassen. Sie fürchtete, dass er es sich anders überlegen und ihr seine Vampire auf den Hals hetzen könnte, wenn sie in der Nähe von Schloss Drachenburg wieder ihre menschliche Gestalt annahm.

Sobald sie die Bäume des Finsterwaldes erreichte, kletterte sie an einem Baumstamm empor und schwang sich leichtfüßig von Ast zu Ast. Mit ihren Spinnfäden durch die Luft zu gleiten, war beinahe wie Fliegen. Sie genoss es, sich gegen die Schwerkraft aufzulehnen, und fühlte sich dabei stärker denn je. Nicht einmal das schwindende Licht machte ihr etwas aus. Sich als Spinne zu bewegen, fühlte sich für sie wie etwas ganz Natürliches an, als hätte sie es schon immer in sich gehabt. Sie musste nicht überlegen, was sie tun sollte, sondern konnte jede Fähigkeit hervorrufen – es war wie Atmen.

Die Zeit verstrich wie im Flug, sodass sie Schloss Drachenburg nicht mehr entdecken konnte, als sie nach einer Weile bewusst danach Ausschau hielt. Auch von den Vampiren gab es im Wald keine Spur mehr. Nun hätte sie den Zauber brechen sollen, um ihren Weg als Mensch fortzusetzen, auch wenn sie nicht wusste, wo sie mit der Suche nach den anderen beginnen könnte. Allein zur Orientierung hätte es jedoch geholfen, wenn sie wieder auf zwei anstatt acht Beinen gestanden hätte. Die Sicht einer Spinne unterschied sich doch deutlich von der eines Menschen, sodass sie sich in dem dunklen Wald kaum zurechtfand.

Voller Zuversicht hatte sie Vlad Dracul gegenüber behauptet, dass sie sichnatürlich zurückverwandeln könne. Was hatte er zu ihr gesagt? Sie solle die Luft anhalten?

Nach wie vor war sie sich nicht sicher, ob das ein Scherz gewesen war, aber ihr blieb kaum etwas anderes übrig, als es auszuprobieren. Entschlossen ließ sie sich zurück zu Boden gleiten, hielt den Atem an und zählte die Sekunden.

1,

2,

3,

4,

5,

6,

7,

8,

9,

10 – bisher tat sich nichts. Aber vielleicht musste sie es länger versuchen, auch wenn sie sich etwas albern dabei vorkam.

11,

12,

13,

14,

15,

16,

17,

18,

19,

20.

Frustriert gab sie auf und zog wieder Luft in ihre Lungen. Als ob sie sich zurückverwandeln würde, nur weil sie die Luft anhielt!

Haha, sehr witzig, Vlad Dracul