Kapitel 1
Der Kellner stellte die beiden Cappuccino-Tassen mit einem freundlichen Lächeln vor ihnen ab. Doch Nele hatte keinen Blick für ihn. Fassungslos starrte sie ihre Freundin an.
»Du solltest etwas Verrücktes machen. Etwas, das völlig gaga ist«, wiederholte Fiona mit glühenden Wangen, als sie über den Tisch nach Neles Hand fasste.
Nele sah ihre Freundin mit gerunzelter Stirn an und entzog ihr die Finger. Sie gab Zucker in den Cappuccino und rührte schwungvoller um als nötig. Mit einem Scheppern landete der Löffel neben der Tasse.
»Warum? Was soll das bringen?«
Schnaubend lehnte sich Fiona zurück. »Weil du sonst einrostest, ganz einfach.«
Nele biss die Zähne zusammen.
»Sieh mal, ich meine es doch nicht böse. Ich möchte, dass du glücklich bist.«
Nele schwieg, erwiderte den Blick ihrer Freundin aber. Hatte sie am Ende recht? Fiona war schon in der Schule immer die Spontanere von ihnen beiden gewesen. Während Nele zurückhaltend und vorsichtig war, konnte es passieren, dass Fiona in der Mittagspause die Schule verließ und erst zum Nachmittagsunterricht wieder zurückkehrte. Dafür prangte auf ihrem rechten Schulterblatt ein Schmetterling, obwohl sie erst siebzehn war und für eine Tätowierung eigentlich die Erlaubnis ihrer Eltern gebraucht hätte. Wie sich damals herausstellte, hatte sie einen Tätowierer so lange bequatscht, bis er seinen freien Mittag für sie verschob und ihr stattdessen das Tattoo stach. Eine kurze, heftige Affäre inklusive.
Das wäre Nele niemals in den Sinn gekommen. Das Tattoo nicht und die Liebelei gleich zweimal nicht.
Nele musterte ihre Freundin, die sich mit der Hand durch das Haar fuhr. Im Moment war es rot. Als Nele sie zuletzt gesehen hatte, war es von tiefem Schwarz gewesen. In ihrer Nase funkelte ein grüner Stecker. Hatte sich da zuletzt nicht ein Ring befunden? Nele hatte den Überblick verloren. Dafür war das Tribal, das sich aus Fionas unverschämt tief sitzendem Dekolleté hervorschlängelte, neu.
Dagegen wirkte sie mit ihrem blonden, halblangen Haar eintönig. Ihr fehlten Tattoos und Piercings und ihre Kleidung war alles, aber nicht flippig. Manchmal wünschte sie sich, auch darauf zu pfeifen, was andere von ihr dachten. Irgendwie gelang ihr das nicht. Es war ja nicht so, dass sie es nicht probiert hätte, etwas Ausgefallenes zu tragen. Aber stets kam sie sich darin verkleidet vor. Als sei sie nicht sie selbst. Also hatte sie es gelassen.
Nele seufzte und sah den Fußgängern zu, die bei dem sommerlich warmen Wetter die Straße entlanggingen. Die Cafés und Eisdielen waren voll um diese Jahreszeit, in den Biergärten fand man abends nur mit viel Glück einen freien Tisch. Fiona hatte draußen einen Platz für sie ergattert. Jetzt saßen sie in bequemen Korbstühlen und reckten die Nasen in die Sonne. Doch bei Nele wollte keine rechte Freude darüber aufkommen.
Ihre Freundin lag ric