: Gerhard Branstner
: Wie Fritz den Teufel erschlug. Kleine Anekdotenbibliothek
: EDITION digital
: 9783965218185
: 1
: CHF 6.40
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: Humor, Satire, Kabarett
: German
: 351
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das ist ein Plädoyer für die Anekdote: Eines ist unbestritten: Die Anekdote hat drei wunderbare Eigenschaften. Das sind die Weisheit, die Heiterkeit und die Geselligkeit. Darin kommt ihr keine andere Kunst gleich. Was Wunder, dass ihr meine große Liebe gehört. Und ein langes Vorwort. Letzteres aber steht am Anfang dieser Anekdotensammlung und dort kann man es auch selber nachlesen. Außerdem rühmt Branstner, der die Bescheidenheit immer für unmoralisch hielt, seine eigenen Anekdoten: Die Nepomuks zu schreiben war unvermeidlich. Ihre logische und philosophische Eigenart sind neben meiner sprudelnden Fantasie wesentliche Triebkräfte meiner Produktion. Ich hatte etwa 15 Nepomuks geschrieben, als mir die Geschichten vom Herrn Keuner von Bertolt Brecht begegneten, von deren Existenz ich bis dahin nichts gewusst hatte. Erfreut begrüßte ich einen exzellenten Partner und Konkurrenten. Das ist eine merkwürdige Eigenschaft von mir: ich freue mich, wenn ich nicht allein gut bin. Ich sehne mich geradezu nach mindestens gleichguten Partnern. Daher bedauere ich es, dass Peter Hacks dazu nicht taugt. Zwar ist er ein großartiges Genie und hat auf vielen verschiedenen Gebieten Hervorragendes geleistet, doch auf dem Gebiet der Politik und Geschichtsphilosophie ist er eine brillante Null. Wie könnte der Massenmörder Stalin, lebte er noch, den Kapitalismus verhindert haben, wo der Stalinismus doch wesentliche Ursache der Kapitalisierung des Sozialismus war? Da steht die historische Kausalität Kopf. Hier zwei dieser Keuner-Geschichten, sorry, Nepomuk-Geschichten: Die unmoralische Tugend Als Nepomuk hörte, wie einmal mehr das Lob der Bescheidenheit gesungen wurde, rief er aufgebracht: 'Wer seine Fähigkeiten unter dem Mantel der Bescheidenheit verbirgt, erschwert ihren richtigen Einsatz oder macht ihn ganz unmöglich. Daher ist Bescheidenheit nichts als Drückebergerei!' Heimlich unheimlich Ein Bekannter Nepomuks beklagte sich darüber, dass wir zu wenig aus unseren Fehlern lernen. 'Dabei', so meinte er, 'haben wir doch genug gemacht, um hätten lernen zu können, wie man Fehler vermeidet.' 'Wir sollten vielmehr lernen', entgegnete Nepomuk, 'wie man Fehler macht. Da Fehler niemals gänzlich zu vermeiden sind, müssen wir uns darin üben, sie so geschickt wie möglich auszuführen. Das Richtige ungeschickt gemacht ist oft ein größerer Fehler als der geschickt gemachte Fehler. In diesem steckt immerhin ein gewisser Witz, weshalb er auch leichter eingestanden wird als der ungeschickte.'

Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre. 1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft. 1949 - 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.). 1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 - 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin. Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller. 2008 in Berlin verstorben.
Eine bedenkliche Qualifikation Die Bibliothek eines Großbetriebes hatte eine neue Leiterin erhalten. In ihrem ersten Jahresbericht merkte sie an, dass die männlichen Benutzer der Bibliothek deutlich hinter den weiblichen zurückblieben, sie stellten nämlich nur vierzig Prozent. Obwohl sie diesen Umstand nicht verschuldet hatte, wurde ihr eine Kritik verabfolgt. Ein Jahr später war sie nicht mehr so neu, und sie hob in ihrem diesmaligen Bericht hervor, dass der Anteil der weiblichen Benutzer erfreulich hoch sei, nämlich sechzig Prozent. Und prompt wurde ihr ein Lob verabfolgt. Über den dritten Jahresbericht der Bibliothekarin kann leider nichts gesagt werden, denn sie hat den Beruf gewechselt und ist zur Statistik gegangen. Ein Mann verursacht ein Verkehrshindernis und wird für seine Freundlichkeit bedankt Für den Mai-Aufmarsch mussten die Straßen im Zentrum der Stadt frei von allen Nebendingen sein. Ein Volkspolizist hatte nun seine liebe Not, ein Auto, das an einer außerordentlich ungünstigen Stelle parkte, in eine Nebenstraße zu bekommen, denn der Fahrer des Wagens war nirgends aufzutreiben. Mittlerweile hatte sich eine große Anzahl Passanten angefunden, die vergeblichen Versuche des Polizisten, den Wagen durch Schieben und andere Anstellungen, die mehr der eigenen Beruhigung als einem wirklichen Erfolg dienten, zu kommentieren. Das Auto war zum wirklichen Verkehrshindernis geworden, und die Menge begann auf den Wagenbesitzer zu schimpfen. Als dieser endlich auftauchte, nahm er, noch ehe er sich als Besitzer des Autos zu erkennen gegeben hatte, die gegen ihn gerichtete Stimmung wahr. Daher mischte er sich als Passant unter die übrigen, um der peinlichen Aufmerksamkeit, die ihm im Falle seiner Vorstellung entgegengebracht worden wäre, vorläufig zu entgehen. Da die Umstehenden ihren Zorn nicht auf den Fahrer richten konnten, wendeten sie sich jetzt dem Auto zu. Sie pufften und knufften es, dass es wie ein Schiff auf hoher See schaukelte, probierten die verschiedenen Schlüssel aus, traten gegen die Bereifung und trieben dieses und jenes mit ihm. Der Polizist musste jetzt das Auto gegen die Passanten in Schutz nehmen, was ihm bald noch weniger erfolgreich erschien als seine früheren Versuche, das Auto um die Ecke zu bringen. Als der Besitzer sah, dass der Volkspolizist das Auto auf die Dauer nicht gegen den Zorn der Menge würde schützen können, trat er aus dem Kreis der Umstehenden, ohne sich aber als Besitzer des Ärgernisses bekannt zu machen, und schlug dem Polizisten vor, das Verkehrshindernis mit den versammelten Kräften aller Umstehenden seitwärts auf den Rasenstreifen zu schieben. Mit seinen fachmännischen Anweisungen und einigen Steinen, die er in den Winkel von Straße und Bordstein legte, den Übergang zu erleichtern, wurde der Wagen, mehr gehoben als geschoben, schließlich auf den ausgemachten Fleck bugsiert. Der Polizist dankte dem Autobesitzer für seine geschickte Freundlichkeit, ließ noch eine scharfe Bemerkung auf den vermeintlich nicht erschienenen Autobesitzer fallen und forderte die Umstehenden auf weiterzugehen. Ais nach Beendigung des Maiaufmarsches ein anderer Polizist das Auto auf dem Rasenstreifen stehen sah, notierte er sich die Wagennummer. Schließlich muss alles seine Ordnung haben. Das größte Wunder ist der Mensch, und wunderlicher kann keiner sein Ein junger Volksarmist, von der Richtigkeit seines Eintritts in die Armee des Friedens durchaus überzeugt, konnte es jedoch in seiner tiefen Gläubigkeit nicht über sich bringen, unter den Augen Gottes das Gewehr abzufeuern. Es war tatsächlich nicht anders zu machen, als dass seine Kameraden eine Zeltbahn über ihn hielten, um Gott nicht die Schießübungen seines Sohnes sehen zu lasse