: P. B. Ryan
: Nell Sweeney und der schwarze Freitag
: dp Verlag
: 9783968172316
: 1
: CHF 4.80
:
: Erzählende Literatur
: German

Gouvernan e mit Herz und Detektivin aus Leidenschaft - Nell Sweeneys vierter Fall
Spannender historischer Krimi für Fans von Annis Bell und Robert C. Marley

Boston, 1869: Die Finanzkrise am Schwarzen Freitag macht auch vor der feinen Gesellschaft nicht halt. Einige ruinierte Gentlemen wählen lieber den Freitod als die Armut, doch bei einem der Toten findet der Arzt Will Hewitt Hinweise auf Mord. Er bittet die Gouvernante Nell Sweeney, deren klarer Verstand und irischer Charme ihm unverzichtbar geworden sind, um Hilfe. Zusammen kommen sie zwischen den Abgründen der menschlichen Seele einem Geheimnis nahe, das von bodenloser Habgier genährt wird und die beiden ins Verderben stürzen könnte ...

Erste Leserstimmen
'Sehr fesselnd, mitreißend und kurzweilig erzählt!'
'Wieder ein sehr spannender Kriminalfall, bei dem ich gerne mitgerätselt habe.'
'Die Chemie zwischen Nell und Will macht für mich den ganz besonderen Charme dieser Reihe aus.'
'Die historischen Details sind wirklich beeindruckend herausgearbeitet ... Ein großartiges E-Book!'
'Nell Sweeney ist einfach eine wunderbar sympathische Ermittlerin, man kann sie nur lieben!'

Weitere Titel dieser Reihe
Nell Sweeney und die Spur des Todes (ISBN: 9783960877554)
Nell Sweeney und der dunkle Verdacht (ISBN: 9783960877561)
Nell Sweeney und die blutrote Wahrheit (ISBN: 9783960877578)



P.B. Ryan ist das Pseudonym von Patricia Ryan. Sie ist USA-Today-Bestsellerautorin von mehr als zwei Dutzend Krimis und Liebesromanen wie dem nationalen Nummer-1-Bestseller Dunkel wie die Spur des Todes. Ihre Werke wurden von den Kritikern hochgelobt und in über 20 Ländern veröffentlicht. Sie hat bereits den RITA Award gewonnen (für Verhängnis des Herzens) und wurde vier weitere Male nominiert. Außerdem erhielt sie drei Romantic Times Awards und wurde mit Nell Sweeney und der dunkle Verdacht - dem zweiten Teil ihrer berühmten Nell-Sweeney-Krimi-Reihe - für den Mary Higgins Clark Award nominiert.

1. Kapitel


Boston, 25. September 1869

„Erwarten Sie jemanden, Mrs. Hewitt?“ Nell Sweeney nahm einen Spatel warmen Leims und strich ihn auf die Leinwand, die vor ihr auf der Staffelei stand.

„Für Besucher dürfte es wohl noch ein wenig zu früh sein, möchte ich meinen.“ Viola Hewitt rollte den Rollstuhl fort von ihrem gerade in Arbeit befindlichen Werk – ein Stillleben mit Herbstfrüchten – und kramte in den Farbtuben und terpentingetränkten Lappen auf ihrem Arbeitstisch. „Wo zum Kuckuck habe ich nur meine Uhr gelassen?“

„Ich hole sie dir, Nana“, rief Gracie Hewitt und sprang auf. Sie hatte auf dem Boden des Wintergartens gehockt und mit Kreide die Muster nachgezeichnet, die die Morgensonne durch die großen bleigefassten Fenster auf die dunklen Schieferplatten warf. Mit sicherem Griff klaubte sie die diamantbesetzte Taschenuhr aus dem Gewirr an Malutensilien, ließ den Deckel aufspringen und reichte sie Viola.

Nell, stets ganz die Gouvernante, meinte: „Könntest du uns denn sagen, wie spät es ist, Gracie?“

Angestrengt betrachtete Gracie das Zifferblatt.

„Wo ist der kleine Zeiger?“, fragte Nell und fuhr mit dem Spatel über die straff gespannte Leinwand, um den überschüssigen Leim abzunehmen.

„Auf der Acht.“

„Und der große?“

„Auf der Drei.“

„Und damit wäre es …“

„Acht … hm …“ Gracie runzelte die Stirn. „Halb acht?“

„Viertel nach acht“, sagte Nell.

„Ganz gut für den Anfang“, ließ Viola sich mit ihrer rauen Stimme und dem britischen Akzent vernehmen, während sie einen Klecks Ultramarin in das helle Krapp-Rot auf ihrer Palette mischte. „Nell, meine Liebe, wie kommen Sie darauf, ich könnte zu so früher Stunde jemanden erwarten? Vor zehn Uhr bin ich nicht für Besuch zu sprechen – und zudem nicht gesellschaftsfähig gekleidet.“ Wie auch Nell trug sie ein einen grauen Kittel voller Farbkleckse über ihrem Kleid.

„Es hat an der Haustür geklopft“, sagte Nell und tauchte ihren Spatel wieder in den Leimtopf, der in einem heißen Wasserbad stand. „Haben Sie es nicht gehört?“

„Ich trage meine Ohren nur noch zur Zierde“, erwiderte Viola, während draußen bereits Schritte zu hören waren, die recht gemessen den langen Korridor hinab in Richtung des Wintergartens kamen.

Hodges, der schon etwas betagte Butler der Hewitts, tauchte an der offenen Tür auf und wirkte seltsam zögerlich. „Entschuldigen Sie vielmals die Störung, Mrs. Hewitt, aber Ihr Sohn wünscht Sie zu sprechen.“

„Harry?“, fragte Viola ungläubig. Denn ihr mittlerer Sohn, der einem dekadenten und ausschweifenden Lebenswandel frönte, hatte die letzten anderthalb Jahre in selbst auferlegtem Exil verbracht und keinen Fuß mehr über die Schwelle der Familienresidenz an der Tremont Street gesetzt. Soweit Nell wusste, hatte Viola ihn im Juni dieses Jahres das letzte Mal bei einer Abendgesellschaft im Hause der Pratts gesehen. Damals war zur allgemeinen Überraschung seine Verlobung mit Cecilia Pratt bekannt gegeben worden. Von Violas vier Söhnen waren nur drei noch am Leben, und nur der jüngste, der zweiundzwanzigjährige Martin, lebte noch zu Hause. Und er war es auch, der sich als Einziger eines guten Einvernehmens mit seinen Eltern erfreute.

„Nein, nicht Mr. Harry, Ma’am“, meinte Hodges. „Es ist … Dr. Hewitt. William.“

„Will?“ Ungläubig schaute Viola ihn an, bevor sie sich zu Nell umsah, die ihre Verwunderung zu teilen schien.

Fast sechs Jahre war es her, dass der älteste Sohn der Hewitts zuletzt im Haus seiner Eltern gewesen war. Schon in seiner Kindheit und Jugend war Will weniger ein Teil der Familie gewesen, als vielmehr ein seltener Gast, hatte man ihn doch in jungen Jahren – als er in Gracies Alter gewesen war – nach England verfrachtet, wo er von verschiedenen Verwandten aufgezogen wurde, die ihm recht gleichgültig begegneten. Später hatte er dann eine ganze Reihe von Internaten besucht, womit wohl der Grundstein seiner nunmehr drei Jahrzehnte währenden Entfremdung von Viola und ihrem Gatten gelegt worden war. Im vergangenen Frühjahr, bevor die Hewitts samt ihrer Dienerschaft zur Sommerfrische nach Cape Cod und Will nach Europa aufgebrochen waren, hatte Wills abgekühltes Verhältnis zu seiner Mutt