Sie hatten sich schon oft gestritten, aber so heftig noch nie. Mein Gott, was hatte sie ihm alles an den Kopf geworfen?! Erschrocken über ihren eigenen Mut, staunte sie über sich selbst.
Sabine Ziegler war das Leben mit diesem Choleriker leid. Sie hatte ihn tatsächlich rausgeschmissen, und er war völlig perplex von einem Bein aufs andere hüpfend in seine Jeans geschlüpft und hatte die Ferienwohnung fluchtartig verlassen. Barfuß, in T-Shirt und Jeans. Auf dem weißen T-Shirt war in Brusthöhe ein roter Fleck von den Spaghetti mit Tomatensoße und Flusskrebsschwänzen, die sie gekocht hatte.
Jetzt lag sie frierend im Bett und rieb ihre Füße gegeneinander. Sie fragte sich, ob das alles wirklich so gewesen war – oder hatte sie es nur geträumt?
Sie tastete im Dunkeln neben sich. Da war niemand.
Sie grinste, und Stolz keimte auf. Sie war tatsächlich im Nachthemd auf den Balkon gestürmt und hatte seine Sachen nach unten geworfen. Zuerst die Schuhe, dann seinen Reisekoffer mit den Hemden drin, schließlich eine Hose und dann den Roman.Schitt häppens von Herbert Knorr. Ein Hardcover.
Sie hoffte, ihn damit am Kopf zu treffen, und sie hatte Glück gehabt. Er bückte sich nach den Schuhen, sah hoch und zack, krachte die Ruhrgebietsgroteske mit der Breitseite auf seine Nase.
Er jaulte.
Sie rief: »Schitt häppens! Du Arsch!«
Er betastete wehleidig sein Gesicht, und sie spottete: »Da bekommt das Wort Facebook doch mal eine ganz neue Bedeutung, was?!«
Sie griff den Schlüsselbund, der auf dem Tisch der Ferienwohnung lag und pfefferte ihn auch in Florians Richtung. Es tat ihr sofort leid, denn daran hing nicht nur der Autoschlüssel, sondern auch ihr Wohnungsschlüssel. Und zumindest in diesem Moment hatte sie nicht vor, ihn weiter bei sich wohnen zu lassen.
Sie hätte ihm gern noch mehr hinterhergeschleudert, es waren noch genug Sachen von ihm da. Ein Kulturbeutel im Badezimmer mit dieser brummenden Zahnbürste und dem Angeber-Rasierwasser, das angeblich irgendwelche Pheromone enthielt, die Frauen paarungswillig machen sollten, wie die Werbung suggerierte. In der Tat war es ein Wohlgeruch aus Myrrhe, Sandelholz und Kokos mit einem Hauch von Weihrauch.
Er konnte allerdings damit nicht richtig umgehen. Sie wusste immer, wann er scharf auf sie war, und das machte sie sauer. Wenn er Sex wollte, benutzte er einfach zu viel davon.
Sie mochte den Duft in einer kaum wahrnehmbaren Intensität, als eine Ahnung von etwas Angenehmem. Auch die schönsten Gerüche konnten aufdringlich werden und in ihr geradezu Fluchtreaktionen auslösen.
Er schaffte es manchmal, sein Rasierwasser mit dem Eau de Toilette zu kombinieren, das sie ihm geschenkt hatte. Die angeblich aphrodisierende Wirkung von Maninka und Passionsfrucht lösten aber in der Heftigkeit einen Brechreiz in ihr aus. So erreichte er genau das Gegenteil von dem, was er wollte. Sie zog sich zurück, statt wuschig zu werden. Das frustrierte ihn, und er benutzte noch mehr Parfüm, womit alles für sie unmöglich wurde. Sie konnte ihn dann im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr riechen, war aber kaum in der Lage, es ihm zu sagen.
Im Laufe der Zeit war sie vorsichtig geworden. Choleriker sollte man nicht zu oft frustrieren, wenn man einen schönen Urlaub haben wollte. Sie gestand es sich ein, jetzt, hier in der einsamen Ferienwohnung, war sie immer noch wütend auf ihn, aber gleichzeitig wünschte sie ihn auch zurück. Diese ewige Ambivalenz!
Er hatte ja auch ganz andere, gute Seiten. Konnte ein zärtlicher Liebhaber sein, ein witziger Gesprächspartner und ein loyaler Freund. Sie mochte seine Stimme, samtweich und mit einem dunklen Kratzen bei den tiefen Tönen.
Seine Wildlederjacke hing noch im Flur am Garderobenständer. Darin, immer in der rechten Tasche, sein Schlüssel für die Fe