: Siglinde M. Petzl
: Unsichtbar durch die Hölle - Holocaust-Roman nach wahren Begebenheiten
: Verlag DeBehr
: 9783957537348
: 1
: CHF 4.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 444
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
NÜRNBERG 1939 - Energisches Klopfen an der Wohnungstüre. 'Sie holen uns', stammelte Alisah. Frau Stern zerrte ihre Tochter zum Fenster. Ohne einen Augenblick zu zögern, sprang das Mädchen hinaus und landete unsanft auf dem gepflasterten Weg im Hinterhof. An diesem Tag sah sie ihre Mutter und die Brüder das letzte Mal ... Das Mädchen Alisah entkommt nur knapp der Deportation, doch als Jüdin schwebt sie ständig in Todesgefahr. Sie muss unsichtbar werden, um die Hölle auf Erden zu überstehen. Die ergreifende Geschichte der Holocaust-Überlebenden Alisah Stern.

 

3 NÜRNBERG, JANUAR 1939

 

Nervös blickte sich Frau Stern in den Straßen um und ermahnte ihre Kinder abermals, dicht hinter ihr zu bleiben. Die Schlange jüdischer Männer, Frauen und Kinder vor dem Rathaus war lang. Sie stellten sich dazu und warteten geduldig, bis es in der dichtgedrängten Reihe voranging. Vor der großen, zweiflügeligen Eingangstüre stand ein Schild mit dem Hinweis ‚Neues Gesetz für Juden. Jeder Jude ist verpflichtet, den Zweitnamen in den Ausweis eintragen zu lassen’. Einige SA-Männer waren abgestellt worden, um das Ganze im Auge zu behalten. Kaum jemand sprach ein Wort, was die Situation noch bedrückender erscheinen ließ. Nach einer geschlagenen Stunde stand Frau Stern mit ihren drei Kindern vor dem Beamten in der braunen Uniform und legte die Papiere vor. Erst vor drei Monaten waren die Reisepässe eingezogen worden, um sie mit einem eingestempelten roten ‚J’ zu kennzeichnen. In ihren und Alisahs Ausweis wurde nun der Zweitname ‚Sara’ eingetragen, bei den Jungen war es der Name ‚Israel’. Bekümmert sah sie zu, mit ihren Kindern so schnell wie möglich von hier wegzukommen.

„Wieso heißt Jakob jetzt ‚Jakob Israel’ und ich ‚Jonathan Israel’?“

„Sei still Jonathan, ich erkläre es dir zu Hause“, ermahnte ihn die Mutter.

„Ich verstehe es auch nicht“, flüsterte Alisah ihrem Bruder zu, damit er Ruhe gab.

Nach dem Abendessen ging die Mutter in Alisahs Zimmer, sobald die Jungen im Bett lagen. Sie setzte sich auf den Bettrand und hielt ihre Hand.

„Der heutige Eintrag der Zweitnamen in unsere Pässe ist ein weiterer Schritt der Stigmatisierung“, die Bitterkeit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Vielleicht sollten wir weggehen?“

„Das habe ich mir oft durch den Kopf gehen lassen, aber wohin könnten wir gehen? Für Juden ist in ganz Deutschland kein Platz mehr, die Nazis sind überall, andernorts geht es genauso zu wie hier in Nürnberg. Wir müssten ins Ausland fliehen, in die Schweiz, nach England oder nach Frankreich zu meinem Cousin. Solange ich nicht weiß, was mit deinem Vater geschehen ist, gehe ich von hier nicht fort.“

„Bisher dachte ich, deine Angst wäre übertrieben, aber seit heute fürchte ich mich vor dem, was noch alles auf uns zukommen könnte.“

Die Bemerkung ihrer Tochter trieb Frau Stern Tränen in die Augen.

„Hoffen wir auf ein Wunder, dass der Spuk bald vorüber sein wird. Die Dummheit kann nicht ewig regieren, irgendwann wird die Vernunft siegen, davon bin ich überzeugt. Gute Nacht Alisah!“

Beim Verlassen des Zimmers blieb Frau Stern stehen, um einen Blick über die Schulter auf ihre Tochter zu werfen, mit Entsetzen sah sie Alisah in das Kissen weinen. Verzweifelt lief sie in die Küche zurück. Sie set